Bei TIA- und Schlaganfallpatienten mit fortgeschrittenen intrakraniellen Stenosen sollten keine Stents eingesetzt werden. Viele Studien demonstrierten bisher keinen Zusatznutzen – doch eine wichtige Frage wurde dabei nicht berücksichtigt.
TIA- und Schlaganfallpatienten mit fortgeschrittenen intrakraniellen Stenosen sollten generell nicht gestentet werden – so eine Entscheidung des G-BA aus dem Jahr 2016. Eine aktuelle randomisierte Studie zeigt: Klinisch stabile Patienten profitieren nicht von der Intervention. Offen bleibt aber, welchen Nutzen das Stenting bei Hochrisikopatienten hat. Laut G-BA „qualifizieren“ sich Betroffene durch ein Zweitereignis für den Einsatz von Stents. Dies kann nach Ansicht von DGN-Experten manchmal zu spät sein – man brauche eine präzisere Patientenselektion, um die Betroffenen rechtzeitig einer vorbeugenden Therapie zuführen zu können.
Die Überlegung, diese Patienten neben der medikamentösen Prophylaxe (duale Plättchenhemmung) zur Verhinderung von Folgeschlaganfällen zusätzlich mit Stents zu versorgen, um die Gefäße auch nach einem akuten ischämischen Schlaganfall dauerhaft offenzuhalten, hatte somit eine nachvollziehbare Rationale. In den Jahren 2014/2015 führten dann allerdings mehrere randomisierte Studien, darunter SAMMPRIS und VISSIT, zu Zweifeln an der Effektivität von intrakraniellen Stents zur Sekundärprophylaxe von Schlaganfällen bei symptomatischen, intrakraniellen Stenosen. Die gestenten Patienten hatten ein schlechteres Outcome.
Die Deutsche Schlaganfallgesellschaft (DSG), der Berufsverband Deutscher Neuroradiologen (BDNR), die Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) und die DGN kritisierten seinerzeit diese Studien: So waren Betroffene mit einem instabilen neurologischen Zustand, die unter Umständen einer Akutintervention bedurften, explizit ausgeschlossen worden. Auch die hämodynamische Relevanz der Gefäßeinengung fand keine Berücksichtigung. Die Fachgesellschaften nahmen die Position ein, dass die Datenlage zwar gegen eine unselektive, aber nicht generell gegen die Anwendung dieser Behandlungsmethode spreche. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschloss 2016 den weitgehenden Ausschluss des Einsatzes von Stents in der Behandlung von Patienten mit intrakranieller Stenose.
In der hier referierten aktuellen Studie wurden ausschließlich TIA- und Schlaganfallpatienten mit fortgeschrittenen intrakraniellen Stenosen (70 % – 99 % Lumeneinengung) eingeschlossen. Doch wieder handelte es sich um Betroffene, bei denen der ischämische Schlaganfall nicht zu relevanten klinischen Beeinträchtigungen geführt hatte (Modified Rankin Score von 0-2). Auch in den alten Studien waren nur Patienten eingeschlossen worden, die klinisch stabil waren.
In der aktuellen Studie wurden 358 Betroffene randomisiert und erhielten entweder eine duale Plättchenhemmung oder zusätzlich zu dieser medikamentösen Therapie auch eine interventionelle Versorgung mit Stents durch Neuroradiologen. Der primäre Endpunkt umfasste das Risiko für einen Folgeschlaganfall und/oder Tod und es zeigte sich, dass es zwischen beiden Behandlungsgruppen diesbezüglich keinen signifikanten Unterschied gab (8,0 % vs. 7,2 %; p= 0,80). Auch im Hinblick auf die sekundären Endpunkte, darunter das Auftreten von Folgeschlaganfällen im Gebiet der Stenose, unterschieden sich die Studiengruppen nicht. Zudem gab es einen Trend zu einer erhöhten Sterblichkeit in der Interventionsgruppe. In der Stent-Gruppe betrug die 3-Jahres-Mortalität 4,4 %, in der konventionell behandelten Gruppe 3,2 %.
„Das Ergebnis bestätigt das der Studien, die bereits vor acht Jahren erschienen sind, und zeigt: Bei Patienten mit intrakraniellen Stenosen, die in einem klinisch stabilen Zustand sind, und deren Stenosen somit keine hämodynamische Relevanz haben, bringen Stents keinen Zusatznutzen – und wieder können wir schlussfolgern, dass der interventionelle Eingriff nicht unselektioniert erfolgen sollte. Wie damals müssen wir aber erneut konstatieren: Es gibt Indikationen, bei denen die Intervention trotzdem gerechtfertigt sein kann“, erklärt Professor Dr. Hans-Christoph Diener, Pressesprecher der DGN.
Wie der Experte weiter ausführt, sei das z. B. bei Schlaganfällen ausgelöst durch hämodynamisch relevante Stenosen der Fall, die sich gegenüber der medikamentösen Behandlung als therapieresistent erweisen. Das bedeutet, dass es trotz der antithrombotischen Therapie zu weiteren TIAs oder einem erneuten ischämischen Schlaganfall kommt. Auch der G-BA sieht vor allem eine Indikation zur Stentimplantation bei Patienten mit einer intrakraniellen Stenose mit einem Stenosegrad von mindestens 70 %, die nach einem stenosebedingten Infarkt trotz nachfolgender intensiver medikamentöser Therapie mindestens einen weiteren Infarkt erlitten haben.
„Natürlich sind Studien wünschenswert, die den Nutzen und die Risiken der Stentimplantation genauer untersuchen – aber Betroffene mit progredienten neurologischen Symptomen wegen fehlender Daten gar nicht zu behandeln und erst ein Folgeereignis abzuwarten, erscheint uns nach wie vor fragwürdig“, so Diener. „Wir brauchen daher eine präzisere Patientenselektion, um die Betroffenen rechtzeitig einer Therapie zuführen zu können.“
DGN-Generalsekretär Professor Dr. Peter Berlit ergänzt: „Die vorliegende Studie hat bestätigt, was wir wissen, hat aber nicht die offene Fragestellung untersucht, inwieweit Hochrisikopatienten von der frühzeitigen Intervention profitieren. Ein Zweitereignis sollte verhindert und nicht als Indikationskriterium abgewartet werden. Sicher ist außerdem: Die Daten unterstützen keineswegs den generellen Ausschluss des Einsatzes von Stents in der stationären Behandlung bei Patienten mit intrakranieller Stenose.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Die Originalpublikation findet ihr hier und im Text.
Bildquelle: Susan Q Yin, unsplash.