Sollte man sich jetzt noch schnell die vierte Impfung holen, oder wartet man besser auf den bivalenten Impfstoff? Täglich fragen uns das unsere Kunden in der Apotheke. Was wir raten, lest ihr hier.
Derzeit werden wir in der Apotheke häufig gefragt, ob es sinnvoll ist, sich die vierte Corona-Impfung jetzt schon verabreichen zu lassen. Oder sollte man lieber noch abwarten, bis der bivalente Impfstoff da ist? Dieser wird derzeit für Ende September erwartet, die STIKO empfiehlt über 60-Jährigen jedoch bereits jetzt den zweiten Booster. Um diese Frage zu beantworten, vergleichen wir die beiden Impfstoffe und schauen uns die statistischen Zahlen zur Wirksamkeit an. Die Antwort fällt nämlich durchaus nicht bei jedem gleich aus.
Aktuell sind EU-weit sechs Corona-Impfstoffe zugelassen, von denen derzeit vier in Deutschland verimpft werden:
In Großbritannien wurde bereits der erste bivalente Impfstoff mit dem Namen Spikevax® bivalent Original/Omicron von Moderna zugelassen. Er soll nicht nur gegen die ursprüngliche SARS-CoV-2-Variante helfen, wie die oben aufgeführten Impfstoffe, sondern auch gegen die Omikron-Varianten. Auch Biontech und Novavax arbeiten an einem angepassten Vakzin.
Ist es da nicht sinnvoll, zu warten, bis dieser Impfstoff auch hierzulande zugelassen ist und verimpft wird? Schließlich wirken die anderen bei einer Omikron-Infektion doch gar nicht mehr, oder? Diese Fragen werden uns fast täglich von unseren Kunden gestellt. Um eine Antwort darauf zu finden, muss zunächst der Wahrheitsgehalt dieser Aussage überprüft werden. Das stimmt nämlich zum Glück nicht, wie ein Preprint belegt. Gesucht wurde dabei sowohl nach Belegen zur Wirksamkeit des COVID-19-Impfstoffs als auch zur Schutzdauer gegen Omikron. Verglichen wurden dabei die vollständige Grundimmunisierung gegenüber keiner Impfung, die Booster-Immunisierung gegen keine Impfung und die Auffrischimpfung gegenüber der Grundimmunisierung.
Die Schlussfolgerungen der Autoren ist, dass bei der Omikron-Variante die Wirksamkeit von in der EU zugelassenen COVID-19-Impfstoffen zur Vorbeugung einer SARS-CoV-2-Infektion oder einer leichten Erkrankung gering und nach der Grundimmunisierung nur von kurzer Dauer ist, aber durch eine Auffrischungsimpfung verbessert werden kann. Die Wirksamkeit gegen eine schwere COVID-19-Erkrankung bleibt aber hoch und hält auch lange an – insbesondere nach Erhalt der Auffrischimpfung. Das ist definitiv ein gutes Signal.
Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Datenlage darauf hindeutet, dass die Schutzwirkung gegen das Coronavirus nach der reinen Grundimmunisierung zwar abfällt, jedoch weniger stark als im Vergleich zu jeglichen durchgemachten Corona- Erkrankungen. Das ist ein Fakt, den man in der Beratung der Personen im Hinterkopf haben sollte, die angeben, sich nicht impfen lassen zu wollen, da sie bereits infiziert waren und dadurch ausreichend geschützt seien. Auch interessant für die Beratung ist der Fakt, dass es keine signifikanten Unterschiede in der Wirksamkeit gibt, betrachtet man die verabreichten Impfstoffe, beziehungsweise das Impfschema. Comirnaty®, Spikevax® und Jcovden® haben eine vergleichbare Schutzwirkung. Ob das Impfschema heterolog oder homolog war, ist ebenfalls zu vernachlässigen. Beim Impfstoff Nuvaxovid® ist die Datenlage noch zu limitiert, um hier eine verlässliche Aussage treffen zu können.
Es gibt aber auch Kunden, die bei der Impfung mit dem neuen bivalenten Impfstoff dessen Wirksamkeit anzweifeln. Sie sind sich sicher, dass auch der optimierte Impfstoff nicht das Allheilmittel sein wird, das sich so viele erhoffen. Ihre Argumentation: Spikevax® bivalent Original/Omicron enthält eine mRNA-Mischung zu gleichen Teilen, die sowohl gegen eine Infektion mit dem ursprünglichen Virusstamm (Elasomeran), als auch gegen die Omikron-Sublinie BA.1 (Imelasomeran) gerichtet ist (DocCheck berichtete). In Deutschland ist allerdings bekanntlich bereits die Omikon-BA.5-Variante vorherrschend, so dass die Impfwirkung auch der optimierten Impfstoffversion nicht mehr optimal sein wird, befürchten sie. Die Forschung hinke der Mutationsrate des Coronavirus hinterher, daher sei auch eine Impfung mit dem neuen Impfstoff völlig wirkungslos.
Hier lohnt es sich, einmal die Daten der Studien genauer zu betrachten, die Moderna bisher geliefert hat. Der Hersteller versichert, dass mRNA-1273.214 deutlich höhere Antikörpertiter gegen alle getesteten Varianten gezeigt hat – und zwar sowohl bei den Omikron BA.1 als auch bei den BA.4 und BA.5-Subvarianten, dem Ancestral-Virus, Alpha, Beta, Delta und Gamma.
Einen Monat nach der Verabreichung bei zuvor geimpften und geboosterten Teilnehmern löste eine 50-µg-Auffrischungsdosis von mRNA-1273.214 laut der Studie signifikant höhere neutralisierende Antikörperreaktionen aus. Auch bei Teilnehmern ohne vorherige Infektion führte die Impfung zu signifikant höheren neutralisierenden Titern gegen BA.4/5 im Vergleich zur derzeit zugelassenen Auffrischimpfung. Das Virus versucht mit seinen Mutationen, zu entkommen und wird hier immer einen Tick schneller sein, als die forschenden Pharmaunternehmen. Diese entwickeln den Impfstoff aber immer weiter. Moderna hat mit mRNA-1273.222 bereits einen bivalenten Kandidaten auf der Grundlage von BA.4/5 gefunden. Eine Impfung ist daher nicht gleich völlig wirkungslos, sondern einfach nur das Beste, was wir dem Virus derzeit entgegenzusetzen haben.
Also, was raten wir zurzeit unseren fragenden Kunden? Diejenigen, die unter 60 Jahre alt sind, keine schwerwiegenden körperlichen Erkrankungen haben und die auch nicht allzu häufig mit solchen vulnerabel genannten Personengruppen – also Hochbetagten oder schwer erkrankten Menschen – zusammenkommen, erhalten von uns den Rat, den bivalenten Impfstoff abzuwarten. Dieser wird ja noch vor dem Herbst auch hierzulande erwartet. Alle anderen sollten sich jetzt sicherheitshalber noch einmal boostern lassen, um zumindest die ganz schweren Verläufe abzumildern.
Bildquelle: Diana Polekhina, Unsplash