Lösen Corona-Impfungen Schübe bei Rheumapatienten aus? Und welchen Einfluss haben Rheuma-Medikamente auf den COVID-19-Verlauf? Antworten auf die brennendsten Fragen liefert Rheumatologe Prof. Christof Specker.
Rheumapatienten standen zu Beginn der Corona-Pandemie unter besonderer medizinischer Beobachtung. Plötzlich waren Patienten und behandelnde Ärzte mit einer Flut an Fragen konfrontiert – wie etwa, ob das Risiko eines schweren COVID-19-Verlaufs bei rheumatischen Erkrankungen erhöht ist, welchen Einfluss immunmodulierende Medikamente auf den Krankheitsverlauf haben könnten und ob Corona-Impfungen einen Rheuma-Schub auslösen.
Auf der Pressekonferenz anlässlich des 50. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) lieferte Prof. Christof Specker Antworten auf die brennendsten Fragen. Specker ist Direktor der Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie an den Evangelischen Kliniken Essen-Mitte.
Eine erste wichtige Erkenntnis nach 2,5 Jahren Pandemie: „Das alleinige Vorliegen einer rheumatischen Erkrankung bedingt noch kein eindeutiges Risiko für die Infektion mit SARS-CoV-2 oder einen schweren Verlauf“, so Specker. Das zeige nicht nur die Analyse der internationalen wissenschaftlichen Publikationen, sondern auch die Auswertung des deutschen Online-Registers zur Erfassung von Coronainfektionen und deren Verlauf bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Darin sind inzwischen Daten zu über 5.500 Fällen erfasst. Was das Risiko und den Verlauf aber beeinflussen könne, sei eine „aktive und schwere Rheumaerkrankung“.
Auch bestimmte immunmodulierende oder immunsupprimierende Medikamente (wie z. B. höher dosiertes Cortison oder Rituximab) könnten das Risiko eines schweren Verlaufs erhöhen. Generell müssten behandelnde Ärzte die vielfältigen Einflussfaktoren und die individuellen Risikofaktoren eines jeden Rheumapatienten genau berücksichtigen, um eine verlässliche Aussage machen zu können.
Auch bezüglich der Corona-Impfungen haben Rheumatologen inzwischen einiges dazugelernt. „Die Angst, durch Impfungen einen Schub rheumatischer Erkrankungen auszulösen, ist unbegründet, auch im Hinblick auf die neuen mRNA-Impfstoffe“, meint Specker. Die Corona-Impfungen werden von Patienten in der Regel gut vertragen. Zwar könne die Aktivierung des Immunsystems im Rahmen einer Impfung manchmal zu einer leichten und nur vorübergehenden Aktivierung einer rheumatischen Erkrankung führen. Zu richtigen Schüben komme es aber laut Specker nur bei weniger als einem Prozent der Corona-Impfungen bei Rheumapatienten. Diese seien zudem mit einer Therapie-Anpassung schnell beherrschbar.
„Auch bei Angst vor Nebenwirkungen – wie sie auch in der Normalbevölkerung auftauchen – sollten sich Rheumapatienten tunlichst trotzdem impfen lassen“, mahnt Specker. Es sei sogar so, dass die normalen Impfnebenwirkungen bei Rheumatikern etwas seltener auftreten als in der Normalbevölkerung. Das liege daran, dass Rheumapatienten oft Medikamente gegen Schmerzen oder Fieber einnehmen, die man auch gegen allgemeine Impfreaktionen einsetzen kann.
Was Ärzte bei der Impfung von Rheumapatienten dennoch beachten müssen: Bestimmte immunmodulierende Medikamente können die Impfantwort abschwächen oder unterdrücken, so etwa das bereits erwähnte höher dosierte Kortison, Rituximab oder auch Methotrexat. Letzteres scheint die Impfantwort allerdings nur wenig und eher altersabhängig zu beeinflussen. Specker empfiehlt in solchen Fällen, die Medikamente für eine kurze Zeit, also etwa eine Woche, um den Impfzeitpunkt herum auszusetzen – aber nur, wenn sich der Patient in einer stabilen Phase der Erkrankung befindet. Hier müsse individuell entschieden werden.
Außerdem ist zu beachten, dass die Impftiter von Rheumapatienten schneller sinken als bei der Normalbevölkerung. Specker betont allerdings, dass unklar ist, ob die Höhe des Impftiters eine verlässliche Aussage zum Impfschutz erlaubt. Deswegen sei die Booster-Impfung für Rheumapatienten wichtig, da hier wieder eine deutliche Impfantwort festzustellen sei.
Aber wie sieht es mit dem zweiten Corona-Booster für Rheumatiker aus? Auf Nachfrage der DocCheck News erklärt Prof. Christof Specker: „Man kann zwar nicht alle Patienten über einen Kamm scheren, aber die allgemeinen Impf-Empfehlungen der STIKO gelten natürlich auch für Rheumapatienten.“
Die zweite Auffrischungsimpfung empfiehlt er 6 Monate nach der letzten Impfung; für Patienten unter einer relevanten Immunsuppression schon nach 4 Monaten. Auch hinsichtlich des speziellen Varianten-Impfstoffs hat Specker einen Rat: „Sobald der Omikron-Impfstoff verfügbar ist, würde ich ihn natürlich auch empfehlen, aber Patienten sollen in Erwartung auf den neuen Impfstoff nicht mit der vierten Impfung warten!“
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