Ich bin im Urlaub – aber überall wimmelt es von Menschen, die ich gern beraten würde. Da ist die ältere Dame, die ihr Asthmaspray falsch inhaliert. Und die Mutter, die nicht besonders gut Pflaster kleben kann.
Urlaub: Sonne, Sand und Meer – ich bin an der Ostsee. Sitze in meinem Strandkorb und schalte ab. Ganz ab. Neben mir sitzt ein Ehepaar im Nachbarkorb und unterhält sich über diverse Zipperlein. Sie spricht darüber, wie gut die Seeluft für ihr Asthma ist und wie gut das Salz und die Sonne seiner Psoriasis tun. Schade, dass man das nicht einfach in den Koffer packen kann für den Winter, wenn es wieder so schlimm wird.
Es kribbelt. Ich will fragen, ob er im Winter Zuhause Solebäder mit Salz aus dem Toten Meer und danach UV-Bestrahlung (Balneophototherapie) ausprobiert hat. Ich will fragen, welche Cremes er zur Basispflege benutzt und was ihm der Arzt für den Akutfall aufgeschrieben hat. Ob er auch systemisch behandelt wird. Ich reiße mich zusammen. Ich bin im Urlaub und mich hat auch niemand nach meiner Meinung gefragt. Ich bin entspannt.
Einige Minuten später sehe ich ein weinendes etwa vierjähriges Mädchen. Sie ist auf dem Weg oben gefallen und hat sich das Knie aufgeschürft. Die Mutter ist schon da und beruhigt sie. Sie hat eine Erste-Hilfe-Tasche in ihrem Rucksack. Alles gut. Sie pustet auf die Kniewunde und klebt ein normales Pflaster drüber. Wieder will ich eingreifen. So eine Wunde gehört erst mit Wasser vorsichtig abgespült, mit einem Wundgel bedeckt und dann erst abgeklebt.
Die Zellen, die für die Wundheilung zuständig sind, arbeiten nicht im trockenen, sondern nur im feuchten Milieu! Zudem werden beim Pusten Bakterien auf die Wunde übertragen und das Pflaster klebt heute Abend ganz sicher so fest auf der Wunde drauf, dass es nochmal Tränen gibt, bis es runterkommt. Nein, nein, nein! Ich bin nicht in der Apotheke!
Ich verstecke mich hinter meinem Statistikbuch und habe kurz Ruhe. Da sehe ich die Frau von nebenan, wie sie ihr cortisonhaltiges Asthmaspray komplett falsch inhaliert und danach den Mund nicht ausspült. Waaah! Ich gehe jetzt ins Wasser und schwimme eine Runde. Bevor ich zurück in unsere Ferienwohnung gehe, nehme ich mir vor, der Dame von nebenan wenigstens die pharmazeutischen Dienstleistungen ans Herz zu legen, damit sie sich zum Inhalieren einmal im Jahr in ihrer Apotheke ordentlich beraten lässt.
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