Was ist besser geeignet zur Diagnose von Schwangerschaftsdiabetes – hohe oder niedrige glykämische Kriterien? Eine Studie macht den Vergleich.
Die Behandlung von Schwangerschaftsdiabetes verbessert die Gesundheit von Mutter und Kind – wenn man ihn erstmal feststellt. Allerdings sind die diagnostischen Maßstäbe dafür bisher uneindeutig und decken ein recht breites Spektrum an glykämischen Werten ab. Neuseeländische Forscher um Caroline Crowther untersuchten nun im Rahmen der GEMS-Studie, ob die Erkennung von Schwangerschaftsdiabetes unter Verwendung des niedrigeren glykämischen Maßstabs mit anschließender Behandlung zu einer geringeren perinatalen Morbidität führen würde, ohne höheres Gesundheitsrisiko als bei einer solchen Erkennung mit höheren glykämischen Maßstäben. Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse im New England Journal of Medicine.
Die Forscher teilten mehr als 4.000 Schwangere, die sich in der 24. bis 32. Schwangerschaftswoche befanden, zufällig in zwei Gruppen auf. Hier wurden sie entweder mit niedrigeren oder höheren glykämischen Diagnosekriterien auf Schwangerschaftsdiabetes untersucht. Der untere glykämische Maßstab war ein Nüchtern-Plasmaglukosespiegel von mindestens 92 mg pro Deziliter (≥ 5,1 mmol pro Liter), ein 1-Stunden-Plasmaspiegel von mindestens 180 mg pro Deziliter (≥ 10,0 mmol pro Liter) oder ein 2-Stunden-Plasmaspiegel von mindestens 153 mg pro Deziliter (≥ 8,5 mmol pro Liter). Dagegen war der höhere glykämische Maßstab ein Nüchtern-Plasmaglukosespiegel von mindestens 99 mg pro Deziliter (≥ 5,5 mmol pro Liter) oder ein 2-Stunden-Plasmaspiegel von mindestens 162 mg pro Deziliter (≥ 9,0 mmol pro Liter). Als primärer Endpunkt wurde die Geburt des Kindes gesetzt, das für das Gestationsalter groß war. Als sekundären Endpunkt wählten die Forscher die Gesundheit von Mutter und Kind.
Insgesamt wurden in der Gruppe mit niedrigeren glykämischen Diagnosekriterien mehr Frauen mit Gestationsdiabetes diagnostiziert: 310 von 2.022 Frauen (15,3 %) vs. 124 von 2.039 Frauen (6,1 %). Dabei waren von den 2.019 geborenen Säuglingen 178 (8,8 %) zu groß für das Gestationsalter. In der Gruppe mit dem höheren glykämischen Maßstab sah es ähnlich aus: Von 2.031 Säuglingen waren 181 (8,9 %) zu groß für das Gestationsalter (Relatives Risiko: 0,98; 95 % KI: 0,8–1,19).
Weheneinleitung, Einnahme von Arzneimitteln und neonatale Hypoglykämien traten in der Gruppe mit niedrigerem glykämischem Maßstab häufiger auf als in der Kontrollgruppe. Weitere gesundheitliche Faktoren von Mutter und Kind verhielten sich hingegen in beiden Gruppen ähnlich. Es wurden auch keine wesentlichen Unterschiede bei unerwünschten Ereignissen gemeldet. In beiden Gruppen wiesen die Frauen, die wegen Schwangerschaftsdiabetes behandelt wurden (195 Frauen) im Vergleich zu den Frauen, die nicht behandelt wurden (178 Frauen), eine gute Gesundheit von Mutter und Kind auf – einschließlich weniger Säuglingen, die zu groß für das Gestationsalter waren.
Insgesamt zeigen die Ergebnisse auf, dass die Schwangeren in der Gruppe mit niedrigeren Diagnosekriterien häufiger von Schwangerschaftsdiabetes betroffen waren. Dabei war die Wahrscheinlichkeit einer Diagnose und Behandlung 2,5-mal höher als in der Gruppe, die nach höheren glykämischen Kriterien diagnostiziert wurde.
„In der aktuellen randomisierten Studie führte die Anwendung der niedrigeren glykämischen Kriterien erwartungsgemäß zu einem höheren Prozentsatz von Frauen, bei denen Schwangerschaftsdiabetes diagnostiziert wurde, als die Anwendung der höheren glykämischen Kriterien“, schreiben die Autoren zu ihren Ergebnissen. „Daher war die Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten, die die Geburtseinleitung, die Behandlung von Diabetes, die Pharmakotherapie zur Blutzuckerkontrolle und die Behandlung von neonataler Hypoglykämie umfassten, in der Gruppe mit niedrigeren glykämischen Kriterien größer. Insgesamt waren die Risiken für die Geburt eines für das Gestationsalter zu großen Säuglings und für andere kindliche oder mütterliche Komplikationen bei den niedrigeren glykämischen Kriterien nicht geringer als bei den höheren glykämischen Kriterien.“
Die Originalpublikation findet ihr hier und im Text.
Bildquelle: Tony Luginsland, unsplash