Für Menschen, die nachts eine niedrige Sauerstoffsättigung im Blut aufweisen oder wenig Zeit im Tiefschlaf verbringen, erhöht sich das Risiko für Demenz-assoziierte Veränderungen des Gehirns wie Mikroinfarkte und Hirnatrophien.
Dr. Rebecca Gelber vom Pacific Health Research & Education Institute in Honolulu, Hawaii, und ihre Kollegen analysierten per Autopsie die Gehirne von 167 Männern, die zu Lebzeiten polysomnographisch untersucht worden waren. Männer, die den Großteil der Nacht eine geringe Sauerstoffsättigung hatten, wiesen bei der Autopsie mehr als dreimal häufiger Mikroinfarkte auf als Männer, bei denen nachts nur kurzzeitig eine geringe Oxygenierung gemessen wurde.
Die Autoren stellten weiterhin fest, dass Männer, die wenig Zeit im Tiefschlaf (slow-wave sleep, NREM Schlafstadium N3) verbracht hatten, mehr als doppelt so häufig unter generalisierter Hirnatrophie litten. Tiefschlaf spielt bei der Verarbeitung neuer Erinnerungen eine entscheidende Rolle, mit zunehmendem Alter nimmt der Anteil von Tiefschlaf an der Gesamt-Schlafdauer aber ab. Die Teilnehmer der Studie waren im Mittel 84 Jahre alt, als sie polysomnographisch untersucht wurden, und verstarben durchschnittlich 6,4 Jahre später. Bei der Autopsie wurden verschiedene Parameter für Hirnläsionen bestimmt, beispielsweise Mikroinfarkte, generalisierte Hirnatrophie, Lewy-Körper, Zahl der Amyloid-Plaques und Alzheimer-Fibrillen sowie die Degeneration des Locus caeruleus. Im Gegensatz zu den Mikroinfarkten und der Atrophie konnten die Forscher jedoch keinen Zusammenhang zwischen den untersuchten Schlafparametern und Alzheimer-typischen Läsionen sowie Lewy-Körpern finden.
Mittlerweile häufen sich die Hinweise darauf, dass ein Zusammenhang zwischen zu wenig oder schlechtem Schlaf und einem erhöhten Alzheimer-Risiko besteht. Bereits 2009 veröffentlichten Dr. Jae-Eun Kang und ihre Kollegen von der Universität Washington eine Studie in Science, in der sie zeigen konnten, dass bei transgenen Alzheimer-Mäusen chronischer Schlafentzug die Beta-Amyloid-Plaque-Last deutlich erhöht. In einer 2013 in Science veröffentlichten Studie lieferten Dr. Lulu Xie und ihr Team von der Universität Rochester in den USA eine mechanistische Erklärung für die restaurative Funktion von Schlaf bei Mäusen: Neurotoxische Metabolite wie Beta-Amyloid werden im Schlaf deutlich schneller aus dem Gehirn entfernt als im Wachzustand. Studien an Menschen sind dagegen weiterhin rar. Im August 2014 veröffentlichte Sharon Ooms vom Universitätsklinikum Nijmegen in den Niederlanden eine Studie an 26 gesunden Männern. Die Hälfte musste eine Nacht lang wach bleiben, die andere Hälfte durfte normal schlafen. Mittels eines intrathekalen Katheters wurden in regelmäßigen Abständen Liquor-Proben entnommen und auf ihren Gehalt an Amyloid-Beta-42-Peptid (Aβ42) untersucht. Trotz der geringen Anzahl an Studienteilnehmern konnten die Autoren einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Schlafdauer und morgendlicher Aβ42-Konzentration im Liquor feststellen: Während die Aβ42-Konzentration der Schläfer im Verlauf der Nacht um sechs Prozent sank, war dies bei den wach gebliebenen Männern nicht der Fall.
Doch welche Konsequenzen können aus diesen Studien für die Behandlung von Schlaf- und Demenzkranken gezogen werden? Dr. Sonia Ancoli-Israel und ihre Kollegen von der UCSD, Kalifornien, waren bereits in einer Studie aus dem Jahr 2008 zu dem Schluss gekommen, dass die Behandlung des obstruktiven Schlafapnoe-Syndroms mittels CPAP die kognitive Leistung bei Alzheimer-Patienten verbessern kann, selbst wenn bereits eine Demenz nachweisbar ist. Allerdings ist dies bisher die einzige Studie ihrer Art, und sie weist einige methodische Schwächen auf. Insbesondere die kleine Gruppengröße von nur 52 Patienten und die kurze CPAP-Behandlungsdauer von sechs Wochen erschwert die Interpretation der Daten. Auch eine Nachfolge-Studie, welche die schützende Wirkung einer längerfristigen CPAP-Behandlung auf die kognitive Leistung belegen sollte, hat aufgrund des Studiendesigns nur begrenzte Aussagekraft. Professor Kathy Richards von der George Mason Universität in Virginia, USA, fordert daher dringend eine randomisierte, kontrollierte Studie, in der die langfristigen Auswirkungen der Behandlung von Alzheimer und obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom mit CPAP untersucht werden sollen. „Das Stabilisieren der kognitiven Fähigkeiten von Alzheimer-Patienten könnte dabei helfen, die Unabhängigkeit der Patienten zu erhalten, die Einweisung in Pflegeeinrichtungen hinauszuzögern, die Belastungen für das Pflegepersonal zu verringern und die Kosten für das Gesundheitswesen zu senken“, erklärt Prof. Richards.
Auch die Autoren der aktuellen Studie warnen davor, den gefundenen Zusammenhang zwischen schlechtem Schlaf und Demenz-assoziierten Hirnschäden voreilig mit einer Ursache-Wirkungs-Beziehung zu verwechseln. „Es sind weitere Studien notwendig, um aufzuklären, wie Tiefschlaf eine restaurative Rolle bei der Gehirnfunktion spielen könnte, und ob das Verhindern einer geringen Sauerstoffsättigung das Demenz-Risiko verringern kann“, betont Dr. Gelber.