Diät und Leistungssport können – genau wie Stress – das weibliche Hormonsystem durcheinanderbringen. Unbehandelt drohen irreversible Schäden, vor allem an der Knochensubstanz.
Energieengpässe sind für den weiblichen Körper ein Alarmzustand. Sinken das Körpergewicht und der Körperfettanteil immer weiter ab, schaltet der Organismus auf Notbetrieb. Er nutzt sämtliche Reserven für die Selbsterhaltung und hat für eine eventuelle Schwangerschaft keine Ressourcen mehr übrig. Damit diese auch gar nicht erst erfolgt, schützt sich der Körper, indem er den Eisprung nicht mehr stattfinden lässt. Bei den betroffenen Frauen bleibt die Regelblutung aus. Auslöser einer solchen sekundäre Amenorrhö können neben Essstörungen wie der Anorexia nervosa auch generell ein BMI < 17 kg/m², intensive sportliche Betätigung, aber auch starke seelische Belastungen sein.
Eine sekundäre Amenorrhö liegt definitionsgemäß immer dann vor, wenn bei Frauen, die vorher regelmäßige Zyklen hatten, drei Monate lang die Periodenblutung ausbleibt bzw. sechs Monate lang bei Frauen, die zuvor unregelmäßige Zyklen hatten. Bei den Betroffenen liegen zudem keine physiologischen Ursachen für die Amenorrhö wie Schwangerschaft, Stillzeit oder Menopause vor. Von einer primären Amenorrhö spricht man, wenn bei Mädchen bis zum vollendeten 16. Lebensjahr keine spontane Regelblutung eingetreten ist.
Für den Menstruationszyklus ist ein Zusammenspiel verschiedener Hormone erforderlich. Als übergeordnete Zentren sind zwei Hirnregionen, der Hypothalamus und die Hypophyse, an den komplexen hormonellen Regelkreisen beteiligt. Störungen können die Funktion der Eierstöcke beeinträchtigen. Je nach Ursache unterscheidet man unter anderem die hyperandrogenämische, hypothalamische und hypophysäre (hyperprolaktinämische) Ovarialinsuffizienz.
Wie viele Frauen von einer sekundären Amenorrhö betroffen sind, ist schwer einschätzbar, da die Dunkelziffer vermutlich hoch ist. Man geht aber davon aus, dass es sich um eine der häufigsten endokrinen Störungen bei Frauen im reproduktiven Alter handelt.
Bei Frauen in einem Energiedefizit – verursacht durch Diät und/oder Leistungssport – liegt in der Regel der Typ hypothalamische Amenorrhö vor. In diesem Zusammenhang wurden die Begriffe „Female Athlete Triad“ (FAT) und „Relative Energy Deficiency in Sports“ (RED-S) geprägt. Als FAT definierte das American College of Sports Medicine (ACSM) 1986 die Triade aus einem gestörten Essverhalten, unregelmäßigen Menstruationszyklen und einer verminderten Knochendichte infolge der abgefallenen Östrogenlevel. 2014 überarbeitete ein Expertengremium des International Olympic Committee (IOC) die Definition der FAT und integrierte sie in das Konzept des RED-S. Die Definitionen sind allerdings noch nicht einheitlich und so existiert das Konzept der FAT weiterhin auch parallel zum RED-S. Beide gehen von einem gemeinsamen Auslöser aus: nämlich einer verminderten Energieverfügbarkeit, der nicht zwingend eine Essstörung zugrunde liegen muss.
Es sind vor allem Sportlerinnen gefährdet, die ästhetische, körperbetonte Sportarten ausüben, wie Kunstturnen, Ballett oder Eiskunstlaufen. Kritisch sind auch Disziplinen, bei denen ein geringes Körpergewicht von Vorteil sein kann, etwa Ausdauersportarten wie Laufen oder gewichtsabhängige Sportarten wie Kampfsport.
Stoffwechselanpassungen infolge des Energiedefizits führen bei den Betroffenen zu einer Störung der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden- und der Hypothalamus-Hypophysen-Thyreoidea-Achse. Der Körper fährt dadurch sowohl den Grundumsatz als auch das reproduktive System herunter. Die gehemmte GnRH-Sekretion führt unter anderem dazu, dass die Follikelreifung nicht mehr normal erfolgt. Die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse wird aktiviert, um Energiereserven verfügbar zu machen. Zusätzliche Stressoren aus dem psychosozialen oder beruflichen Bereich können die Aktivierung verstärken und eine Amenorrhö weiter begünstigen.
Die Therapie einer sekundären Amenorrhö richtet sich nach deren Ursachen und den Bedürfnissen der Patientin, wobei ein eventueller Kinderwunsch beachtet werden sollte. Bei einem Energiedefizit als Ursache ist das Ziel, wieder zu einer ausgeglichenen Energiebilanz zurückzufinden. Patientinnen sollten einen BMI zwischen 19 und 25 kg/m2 und einen gesunden Körperfettanteil anstreben. Neben Trainingsreduktion und Gewichtszunahme sind Stressabbau und Entspannungstechniken sinnvoll. Betroffenen kann es zum Beispiel helfen, anstelle intensiven Trainings-Sessions regelmäßige Yoga-Einheiten in ihren Tagesablauf zu integrieren.
Bei Patientinnen mit einem gestörten Essverhalten oder starken Stressoren im Alltag ist die kognitive Verhaltenstherapie Mittel der Wahl. Bestehende Nährstoffmängel können durch die Supplementation der entsprechenden Mikronährstoffe ausgeglichen werden. Zur Unterstützung der Knochenmineralisation ist es ratsam, Kalzium zusammen mit Vitamin D zu substituieren. Ist die Knochendichte bereits stark verringert oder liegt sogar schon eine Osteoporose vor, kann eine medikamentöse Osteoporose-Therapie erforderlich sein. Kombinierte Kontrazeptiva sind als Osterpose-Prophylaxe vermutlich nicht geeignet, da eindeutige Belege fehlen, dass sie sich günstig auf die Knochendichte auswirken. Um die Knochen zu schützen, kann jedoch eine Hormonsubstitution sinnvoll sein. Die erfolgt typischerweise transdermal mit 17β-Estradiol in Kombination mit einem Gestagen.
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