Bei Rauchern stehen elektrische Glimmstängel hoch im Kurs. Jetzt gibt es neue Publikationen zur alten Kontroverse: Eine Metaanalyse der Cochrane Collaboration attestiert verbrennungsfreien Verneblern Chancen als Hilfsmittel zum Nikotinausstieg. Zweifel bleiben dennoch.
Elektrische Glimmstängel mit Nikotin erhitzen die Gemüter. Manche Forscher argumentieren, Raucher würden von den neuen Verneblern profitieren – schließlich atmen sie weder krebserregende Aromaten noch Kohlenmonoxid ein. Heilberufler sehen auch Vorteile, um vom Laster wegzukommen. Gegner wiederum befürchten, E-Zigaretten könnten Jugendliche in die lebenslange Nikotinsucht treiben. Angesichts von Zahlen wird klar, dass wissenschaftlich evidente Aussagen schnellstmöglich auf den Tisch sollten.
E-Zigaretten werden bei Rauchern aller Altersklassen immer beliebter – auch bei Jugendlichen. Zuletzt hat das National Institute on Drug Abuse (NIDA) Zahlen veröffentlicht. Demnach griffen 8,7 Prozent aller Achtklässler, 16,2 Prozent aller Zehntklässler und 17,1 Prozent aller Zwölftklässler mindestens einmal pro Monat zum elektrischen Vernebler. Zeitgleich verloren normale Zigaretten an Popularität. Klassisch geraucht haben nur noch 1,8 Prozent der Achtklässler, vor fünf Jahren lag der Anteil bei 2,7 Prozent. Bei den Zehntklässlern waren es jetzt 3,2 Prozent (Vergleich: 6,3 Prozent), und bei den Zwölftklässlern 6,7 Prozent (Vergleich: 8,5 Prozent). Entsprechende Trends setzen sich den Autoren zufolge weiter fort. Ob elektrisches Qualmen von Schülern den späteren Zigarettenkonsum tatsächlich fördert, bleibt offen. Stanton Glantz, Forscher am Center für Tobacco Control – Research & Education, hofft auf wissenschaftliche Fakten – und wird enttäuscht. Eine Studie bringt hier wenig Erkenntnisgewinn. Innerhalb von zwölf Monaten hat sich die Zahl an Elektrorauchern von 3,1 (2011) auf 6,5 Prozent (2012) erhöht. Gleichzeitig konsumierten Jugendliche noch Zigaretten – auch dieser Anteil erhöhte sich. Forscher konnten nicht klären, ob Jugendliche erst zu Elektro- oder Tabakzigaretten gegriffen hatten.
Die zweite zentrale Frage beantworten Wissenschaftler am Center for Tobacco Control Research and Eduation mit aktuellen Studien ebenfalls nur unzureichend. Von 949 Rauchern gaben 88 an, auch E-Zigaretten zu konsumieren. Ein Jahr später qualmten noch ähnlich viele der Befragten klassische Tabakzigaretten wie zuvor – für Kritiker ein klares Argument, dass der Ausstieg über elektrische Vernebler nicht gelingt. Doch machen Nikotinersatztherapien überhaupt Sinn? Lindsay F. Stead von der Cochrane Library attestiert entsprechenden Verfahren einen gewissen Mehrwert. Für Hillel R. Alpert, Center for Global Tobacco Control, ist entscheidender, ob Raucher motiviert an den Entzug herangehen oder dem blauen Dunst nur halbherzig abschwören. Welche Hilfsmittel sie verwenden, sei eher zweitrangig. Der Konflikt schwelt weiter.
Grund genug für die Cochrane Collaboration, eine umfangreiche Metaanalyse über den Nikotinausstieg via E-Zigarette zu veröffentlichen. Hayden McRobbie und Peter Hajek von der Cochrane Tobacco Addiction Group haben 117 randomisierte Studien zu konventionellen Maßnahmen ausgewertet. Ihnen standen Daten von mehr als 50.000 Probanden zur Verfügung. Beim Thema E-Zigaretten fand das Team lediglich zwei randomisierte Studien mit 662 Teilnehmern. Verglichen mit Placebo verdoppelten elektrische Vernebler tatsächlich die Chance, nach einem halben Jahr vom Nikotinkonsum loszukommen. An einer absoluten Skala gemessen, war der Benefit aber mager: neun versus vier Prozent. Auch stufte Hajek die Evidenz als „low“ ein, gemessen am GRADE-System. Darüber hinaus ergaben sich Anhaltspunkte, dass E-Zigaretten besser wirken als Nikotinkaugummis oder -pflaster. Die Evidenz entsprechender Aussagen bleibt mit „very low“ sehr mager. Trotzdem schätzen die Autoren ihre Veröffentlichung als wertvollen Diskussionsbeitrag ein. Aus medizinischem Blickwinkel hoffen sie auf E-Zigaretten, die in kürzerer Zeit mehr Nikotin abgeben und womöglich bessere Effekte erzielen. Langfristige Daten wären ebenfalls wünschenswert, um zu klären, ob Patienten abstinent bleiben beziehungsweise, ob sich unerwünschte Effekte zeigen. Gesundheitsrisiken konnte Mitautorin Jamie Hartmann-Boyce innerhalb kurzer Zeiträume nicht feststellen. Reines Nikotin wird jedoch mit Tumorerkrankungen in Verbindung gebracht. Jetzt warten alle Beteiligen mit Spannung auf neue Veröffentlichungen.
In der Zwischenzeit bleiben nur politische Maßnahmen zur Vermeidung tatsächlicher oder vermeintlicher Schäden. Martina Pötschke-Langer, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), weist darauf hin, Hersteller hätten beim Marketing gezielt Jugendliche im Blick. Knallbunte, strassbesetzte Geräte und Sorten wie „Tutti Frutti“ oder „Schokolade“ würden sie zum Ausprobieren verführen. Gesetzliche Reglementierungen gibt es spätestens Anfang 2016 nach Umsetzung der Europäischen Tabakproduktrichtlinie in deutsches Recht. Grund genug für Volksvertreter, bestehende Regelungen zu überprüfen. Bis eine Entschließung des Bundesrats in Kraft tritt, greifen wenigstens Selbstverpflichtungen des eZigarettenverbands.