In den USA ist ein ganz besonderes Produkt neu auf dem Esoterikmarkt: Konsumenten kaufen für horrende Summen „rohes“ Wasser. Es soll deutlich gesünder sein als herkömmliches Flaschen- oder Leitungswasser. Was steckt hinter dem Trend?
Zehn Liter rohes, ungefiltertes Wasser für umgerechnet 30 Euro. Das Produkt findet in San Francisco reißenden Absatz, berichtet die New York Times. Start-ups wie „Live Water“ aus dem US-Bundesstaaat Oregon und „Turmaline Spring“ aus dem Bundesstaat Maine liefern unbehandeltes Rohwasser. Ein Unternehmen aus Arizona vertreibt sogar Systeme, um Wasser direkt aus der Atmosphäre zu sammeln. Erste Anfragen aus Deutschland soll es ebenfalls schon geben. Unklar bleibt indes, was rohes Wasser genau ist. Eine Definition gibt es nicht. Manchnal wird es als Quellwasser bezeichnet, andere sagen, es sei ungefiltertes, unbehandeltes, nicht entkeimtes Wasser.
Anhänger des „rohen Wassers“ argumentieren, sie wollten nicht nur Fluoride, Blei, Chlor oder Ozon vermeiden. Sie kritisieren, dass viele Firmen Quellwasser mit ultraviolettem Licht oder Ozon behandeln. Dadurch würden „gesunde, probiotische Bakterien abgetötet“. Im „rohen Wasser“ wären hingegen diese „gesunden Bakterien“ noch enthalten. Exakt diese Argumentation kritisiert der Internist Donald D. Hensrud von der Mayo Clinic in Rochester, scharf: „Ohne Wasserbehandlung gibt es akute und chronische Risiken.“ Er verweist vor allem auf Bakterien, Viren, Parasiten, aber auch auf karzinogene Verbindungen, die in unbehandeltem Wasser vorhanden sein können. „Auf der ganzen Welt gibt es Beweise, und der Grund, warum wir diese Probleme nicht haben, ist unsere sehr effiziente Wasseraufbereitung.“ Hensrud ergänzt: „Es gibt Menschen, die genau wie bei Impfungen den wissenschaftlichen Status quo nicht akzeptieren.“
Eine ganz andere Gruppe von Menschen beschäftigt sich ebenfalls mit Wasser. Mit Rohwasser hat das nicht zu tun. Ganz im Gegenteil: Selbst sauberstes Wasser ist diesen Kritiern nicht sauber genug. Bekanntlich hat das Trinkwasser in Europa und Nordamerika eine hohe Qualität, von einzelnen Pannen abgesehen. Die Anhänger dieser „sehr sauberen Wasser-Strömung“ berufen sich auf den österreichischen Unternehmer und Paraphysiker Johann Grander (1930 bis 2012). Er entwickelte ein Verfahren zur „Wasserbelebung“. Dabei fließt Wasser an Metallzylindern vorbei und soll seine physikalische Struktur grundlegend ändern. Grander brachte das Verfahren mit zahlreichen medizinischen und biologischen Eigenschaften in Verbindung, etwa eine energiereiche, entgiftende und bakterizide Wirkung. Er ließ aber meist Kunden für die vermeintlichen Vorteile sprechen. Österreichische Richter bestätigten schon vor Jahren, die Bezeichnung „esoterischer Unfug“ sei erlaubt. Und eine oft zitierte Diplomarbeit, bei der Forscher von einer um bis zu 17 Prozent geringeren Oberflächenspannung sprechen, entpuppte sich als Artefakt. Über Wasserschläuche der Apparatur beim Experiment schleppte der Hauptautor Kontaminationen ein.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Weder das rohe Wasser, noch das belebte (Grander-) Wasser haben einen Mehrwert. Bleibt als Fazit: Zumindest hierzulande ist der Wasserhahn die beste Alternative.