Ein Wunder ist geschehen: Das E-Rezept kommt jetzt wirklich. Es wird ein holpriger Start, aber wir Apotheker sind bereit. Auch wenn man das von der Technik nicht behaupten kann.
Die ersten Bundesländer sind in wenigen Wochen die Vorreiter beim E-Rezept. In Pilot-Praxen und Krankenhäusern in Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein werden ab September die ersten E-Rezepte ausgestellt, daher muss das dort tätige pharmazeutische Personal bis zu diesem Zeitpunkt allerspätestens E-Rezept-ready sein. Die anderen Bundesländer blicken mit Spannung den Erfahrungen dort entgegen, denn lange dauert es nicht, bis der Roll-out dann auch den Rest Deutschlands erfassen soll – wenn alles klappt zumindest! Da noch vieles unsicher erscheint, gilt dieser Zeitplan aber nicht für alle Verordnungen.
Die Einführung von elektronischen BTM-Verordnungen, digitalen Gesundheitsanwendungen und T-Rezepten war bislang auf den 1. Januar 2023 terminiert, soll nun aber doch noch ein ganzes Stück nach hinten verschoben werden und erst zum 1. Juli 2024 gelten. Dieses Datum findet sich im Referentenentwurf des „Gesetzes zur Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus sowie zur Anpassung weiterer Regelungen im Krankenhauswesen und in der Digitalisierung”, dem sogenannten Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG). Auch das Bundesgesundheitsministerium weiß, dass auf diesem Sektor so einiges noch nicht ganz so reibungslos funktioniert, wie es sollte. Das Ministerium begründet den geplanten Schritt damit, dass „die Umsetzung des elektronischen Rezeptes durch die Primärsystemhersteller langsamer verläuft als ursprünglich geplant“.
Diese technischen Probleme werden von den nun primär betroffenen Apothekerkammern gesammelt und per Ticketingsystem an die Gematik gemeldet. Die Kommunikation zwischen Arzt- und Apothekensoftware ist ein oft beanstandeter Prüfstein. Hier ist es von besonderem Vorteil, dass sich die Apothekerkammern intensiv mit der KV kurzschließen, um Schwierigkeiten schnell begegnen zu können.
Gerhard Haas, Vorstandsvorsitzende des Bundesverband Deutscher Apothekensoftwarehäuser (ADAS), mahnte in diesem Zusammenhang bereits in einer Pressemitteilung an, dass „die von Ihrem Systemhaus bereitgestellten Angebote frühzeitig für alle Mitarbeiter der Apotheke“ genutzt werden sollten. In Anbetracht der Tatsache, dass schon in wenigen Monaten alle Apotheken E-Rezepte annehmen müssen, klingen nämlich 8.500 von etwa 18.000 nicht gerade überwältigend – nur so viele Apotheken sind als bereit gemeldet.
Doch diese Zahl hört sich schlechter an als sie ist – denn tatsächlich sind bereits über 90 % der Vor-Ort-Apotheken, technisch gesehen, bereit für das E-Rezept. Sie haben nur noch nicht das entsprechende Flag auf grün gesetzt, also offiziell im Verbändeportal eine Angabe gemacht, die anschließend zum Apothekenverzeichnis der Gematik übertragen wird. Das kann erst gesetzt werden, wenn auch alle Mitarbeiter im Umgang mit dem E-Rezept geschult sind, wissen, wie sie es annehmen und bearbeiten und wie sie Kunden dazu beraten.
Wie genau die Apotheken geschult werden, unterscheidet sich von Softwarehaus zu Softwarehaus. Einige bieten kostenpflichtige In-House-Seminare an, bei CGM gibt es auch Online-Seminare oder YouTube-Tutorials, bei Noventi finden sich unter anderem Checklisten, Test-E-Rezepte und kostenlose Sprechstunden. Wenn also die Mitarbeiter, die Kontakt zur Annahme solcher Rezepte haben, geschult sind, müssen nur noch die technischen Voraussetzungen stimmen: Ein elektronischer Heilberufsausweis (HBA) und die Institutionskarte der BLAK (SMC-B) samt dazugehöriger PINs liegen vor, die Konnektoren sind vorhanden und das E-Rezept-Update wurde installiert. Alle Scanner und Kartenlesegeräte sind angeschlossen, die Warenwirtschaft kann über ein Modul die E-Rezepte empfangen, die Telematik-Infrastruktur ist für das System erreichbar und die Übertragung von Rezeptdaten an das Rechenzentrum erfolgt über eine FiveRx-Schnittstelle.
Eine große Sorge war bis vor Kurzem, dass Apotheken auch für Fehler, die in Arztpraxen gemacht werden, mit einer Retaxation rechnen können. Was, wenn diese Fehler nun bei der Datenübertragung passieren und damit für die Apotheken weder sichtbar noch nachvollziehbar sind?
Anfang August kam die Entwarnung, denn der DAV hat hier im Vorfeld erfolgreich interveniert. Die Krankenkassen haben zugesichert, bis zu einer technischen Lösung im Fachdienst der Gematik bei technisch fehlerhaften E-Rezepten die Kosten für die Arzneimittel zu übernehmen. Den Apotheken wurde eine „Friedenspflicht bei Retaxationen“ für den Übergangszeitraum zugesichert. Das bedeutet, dass die Kosten für die verordneten Medikamente auch dann übernommen werden, wenn der Name des ausstellenden Arztes nicht mit der Signatur seines Heilberufsausweises übereinstimmt.
Die Option, Patienten in einem solchen Fall zurück zur Arztpraxis zu schicken, damit sie sich dort ein Muster-16-Rezept ausstellen lassen, wäre eine zusätzliche Belastung für die Mitarbeiter der Arztpraxis und würde auch „die Akzeptanz des E-Rezepts bei Patientinnen und Patienten, Ärztinnen und Ärzten, Apothekerinnen und Apothekern gefährden“, wie die ABDA in einer Pressemitteilung schreibt.
Jetzt muss nur noch die eigentlich absurde Situation gelöst werden, wie das E-Rezept in den Apotheken ankommt. Zurzeit ist das eher analog als digital möglich. Um einen rein digitalen Prozess durchzuführen, benötigt der Patient nämlich neben der Gematik-App auf seinem Smartphone, auf der er den Token empfängt, auch noch eine NFC-fähige elektronische Gesundheitskarte mit gültiger PIN – und die ist aufgrund des derzeitigen Mangels an Chips leider kaum erhältlich.
Wie man sieht – noch läuft nicht alles rund und der Start wird vermutlich holprig. Doch diesmal wird es tatsächlich kommen, eine weitere Verschiebung ist nicht in Sicht. Wer jetzt noch kein Test-E-Rezept in der Apotheke bearbeitet hat, für den wird es langsam eng. Also: ran an den Rechner und loslegen. Die Vor-Ort-Apotheken täten gut daran, ihre Patienten jetzt schon einmal zu beraten und darauf vorzubereiten, dass das E-Rezept in den Startlöchern steht und sie die geeigneten Ansprechpartner dafür sind, bevor es andere tun!
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