Forscher beobachten eine extrem starke Grippewelle in Australien. Schon klar, daraus Prognosen für Deutschland abzuleiten, ist schwierig – aber vorbereiten sollten wir uns dennoch.
Down Under dauert der Winter von Juni bis August. „Die Influenza-Welle in Australien geht zu Ende“, schreibt Prof. Christian Karagiannidis auf Twitter.
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Dem Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin sind zwei besondere Entwicklungen aufgefallen: Es gab kaum Fälle mit Influenza B, sondern hauptsächlich mit H3N2, aber auch mit H1N1. Und es waren recht überraschend viele jüngere Menschen betroffen. Karagiannidis’ Fazit: „Die Impfung gegen Influenza im Herbst wird wichtig.“
Credit: Australian Government
Australische Medien hatten über eine „Supergrippe“ („Super Flu“) berichtet, die schlimmste seit 2017. Dr. Catherine King, Forscherin an der Universität von Sydney, sagt, dass kleine Kinder, die nie geimpft oder nie Grippeviren ausgesetzt worden seien, besonders stark betroffen gewesen wären.
Nur – warum? „Australien hatte während der COVID-19-Wellen aufgrund von Grenzschließungen, Abriegelungen und anderen Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit sehr geringe Mengen an zirkulierenden Influenzaviren“, so die Expertin. „Dies bedeutet, dass es […] eine begrenzte natürliche Immunität gegen Influenza gibt, insbesondere für die Kohorte von Kleinkindern, die zwischen 2020 und 2022 geboren wurden.“
Das hat Folgen: „Influenza kann bei Kleinkindern, einschließlich gesunden Kindern, zu schweren Erkrankungen führen“, sagt King. „Die Influenza-Impfung von Kleinkindern kann nicht nur vor schweren Erkrankungen bei Kindern schützen, sondern auch dazu beitragen, die Übertragung der Influenza auf andere gefährdete Bevölkerungsgruppen wie ältere Menschen zu verringern.“
Solche Nachrichten schlagen Wellen. Vielerorts wächst die Sorge vor einer immensen Grippewelle auch in Deutschland. Doch so zu argumentieren, ist in mehrfacher Hinsicht schwierig. Die Arbeitsgemeinschaft Influenza am Robert-Koch-Institut sieht aktuell keinen Anlass zur Sorge.
Im Bericht für die Woche 31 heißt es, die Aktivität akuter Atemwegserkrankungen (ARE) sei im Vergleich zur Vorwoche sogar gesunken. Dies zeige sich im ambulanten Bereich auch durch weniger Arztkontakte. Verglichen mit den Vorjahren sei die Zahl der Arztkontakte aufgrund von ARE weiterhin erhöht. SARS-CoV-2 finden RKI-Wissenschaftler hauptsächlich bei Erwachsenen, während sie Parainfluenza- sowie Rhinoviren eher bei Kindern nachweisen.
Auch das RKI ging der Frage nach, ob sich Daten der Südhalbkugel für eine Prognose eignen. Experten des Instituts bleiben skeptisch: „Der Verlauf einer Grippesaison lässt sich nicht vorhersagen“, heißt es auf der Website. Das betreffe sowohl die zirkulierenden Linien bzw. Sublinien als auch die Schwere von Erkrankungen: „Die Influenza-Aktivität kann in verschiedenen Regionen der Welt sehr unterschiedlich verlaufen.“ Rückschlüsse von einem Land auf das andere seien nicht möglich, so das RKI. Hinweise könnten nur Daten aus dem eigenen Land liefern, etwa durch das ARE-Monitoring. Eine erhöhte Suszeptibilität gegen Influenza hält das Institut in Corona-Zeiten jedoch für denkbar.
So oder so ist Panik ein schlechter Berater. Wie sicher Deutschland durch die Grippesaison 2022/2023 kommen wird, hängt in erster Linie von den Impfquoten ab. Und diese sind traditionell niedrig – bei Menschen ab 60 sind es zirka 39 Prozent, bei Risikopatienten 32 Prozent und bei Schwangeren 17 Prozent (jeweils 2019/2020).
Bleibt als Hoffnung, dass niedrigschwellige Angebote für mehr Motivation sorgen: Apotheker dürfen mittlerweile Kunden ab 18 Jahren gegen Influenza impfen, und zwar regulär. Zuvor gab es etliche regionale Modellprojekte.
Die STIKO rät derzeit nur Risikopatienten, Schwangeren oder beruflich Exponierten, sich gegen Influenza zu schützen. Ob wie in Australien auch hier Kinder und Jugendliche ohne Kontakt zum Influenza-Virus besonders stark erkranken, ist offen.
Bildquelle: The New York Public Library, unsplash