Immer alles korrekt machen – perfekt eben. Das bestimmt das Leben vieler Menschen. Oft mit schweren Folgen: Forscher fanden einen Zusammenhang zwischen Perfektionismus und Alkoholabhängigkeit.
Keine Fehler machen und sich selbst der größte Kritiker sein: Perfektionismus steht oft eher im Weg, als dass er hilfreich wäre. Perfektionistische Menschen stellen an sich selbst und andere unrealistische und unhaltbare Leistungsanforderungen. Das kann sowohl das eigene Selbstbewusstsein als auch die zwischenmenschlichen Beziehungen zu nahestehenden Menschen stark beeinflussen. Perfektionismus stellt ebenso einen Anfälligkeitsfaktor für viele psychopathologische Störungen dar. Eine aktuelle Forschungsarbeit untersucht nun die Verbindung von Perfektionismus zu Suchtverhalten, genauer zu schwerer Alkoholabhängigkeit.
Es gibt zahlreiche Definitionen für Perfektionismus. So spricht beispielsweise der als Pionier der Perfektionismusforschung geltende Psychologe Don E. Hamacheck von einer Unterteilung in neurotischen und normalen Perfektionismus. Darauf aufbauend wird später von gesundem und ungesundem Perfektionismus gesprochen. Aktuell geht man in verschiedenen Ansätzen meist von mehrdimensionalen Modellen mit funktionalen und dysfunktionalen Facetten aus.
So auch das Modell, auf das die Forschungsarbeit über den Zusammenhang von Perfektionismus und Alkoholismus aufbaut. Hewitt und Flett beschreiben den Perfektionismus in drei Facetten: selbstorientiert, fremdorientiert und gesellschaftlich vorgegeben. Während selbst- und fremdorientierter Perfektionismus eine Erwartungshaltung an sich selbst oder andere beschreibt, handelt es sich beim gesellschaftlich vorgegebenen oder sozial orientierten Perfektionismus um die Annahme, andere hätten unrealistisch hohe Erwartungen an einen selbst sowie um das Streben, diese zu erfüllen.
In einer aktuellen Studie wurden nun die Ergebnisse von 65 Menschen mit schwerem Alkoholismus nach einer stationären Entgiftung mit einer hinsichtlich Geschlecht und Alter gleichen Kontrollgruppe verglichen. Die Teilnehmer füllten einen Fragebogen zum Thema Perfektionismus gemäß der Hewitt Multidimensional Perfection Scale aus, in dem die drei Perfektionismus-Dimensionen bewertet werden. Ebenso erhoben wurden psychopathologische Faktoren wie depressive Symptome, Zustandsangst und Eigenschaftsangst. Die Forscher suchten dementsprechend nach einem Zusammenhang zwischen diesen Faktoren.
Die Ergebnisse zeigen, dass schwere Alkoholabhängigkeit in einem größeren Zusammenhang mit selbstorientiertem und sozial orientiertem Perfektionismus steht. Bei fremdorientiertem Perfektionismus fand sich jedoch kein Unterschied zur Kontrollgruppe. „Dieses differentielle Muster blieb auch bestehen, wenn man die Depressions- und Angstwerte kontrolliert“, schließen die Autoren in ihrer Analyse. Männer und Menschen mit höherer Bildung scheinen laut der Studie ebenfalls anfälliger für selbstbezogenen Perfektionismus bei schweren Alkoholproblemen zu sein.
„Dieses spezifische perfektionistische Profil stimmt mit früheren Studien überein, die bei schwerer Alkoholabhängigkeit eine geringere Selbsteinschätzung (z. B. höhere Selbstbeschuldigung und geringeres Selbstwertgefühl) und eine beeinträchtigte soziale Kognition (z. B. unrealistische soziale Normen und stärkere soziale Isolation) zeigten“, so die Wissenschaftler. „Angesichts seiner potenziellen Rolle bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung von schwerer Alkoholabhängigkeit, könnte Perfektionismus ein wertvolles Behandlungsziel bei Patienten mit dieser Störung darstellen“, konkludieren die Autoren ihre Studienergebnisse.
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