Eine bestimmte Sequenz der menschlichen Darmbakterien ähnelt Insulinpeptiden – das haben Forscher jetzt herausgefunden. Kann durch das Darmmikrobiom nun eine Therapie gegen Diabetes gewonnen werden?
Forscher des Joslin Diabetes Center und des Boston College haben eine Spezies menschlicher Darmbakterien identifiziert, die ein Protein mit einer Aminosäuresequenz herstellen, die das Insulinpeptid nachahmt, gegen das sich das Immunsystem bei Typ-1-Diabetes richtet. Die Analyse ergab, dass die Immunzellen mit der ähnlichen Sequenz des Darmbakterienpeptids kreuzreagieren und dass das Vorhandensein dieses Bakteriums das Auftreten von Diabetes in einem Mausmodell für Typ-1-Diabetes beschleunigen kann. Weitere Untersuchungen ergaben einen Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein des Darmbakteriums und der Entwicklung von Typ-1-Diabetes bei Kindern mit einem genetischen Risiko für diese Krankheit. Die Ergebnisse wurden in PNAS veröffentlicht.
„Obwohl die Genetik und die Familienanamnese zum Risiko, an Typ-1-Diabetes zu erkranken, beitragen, steigt die Inzidenzrate von Typ-1-Diabetes bei Kindern in einem Maße, das über das hinausgeht, was allein durch die Genetik erklärt werden kann“, so Dr. Ronald Kahn, Chief Academic Officer am Joslin Diabetes Center. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Exposition gegenüber einem Peptid, das von Darmbakterien gebildet wird und einem Insulinpeptid ähnelt, die Autoimmunreaktion, die Typ-1-Diabetes auslöst, stimulieren oder verstärken könnte.“
Kahn und seine Kollegen analysierten mikrobielle Datenbanken und identifizierten 47 mikrobielle Peptide, die zu 50 Prozent oder mehr mit dem Insulinpeptid übereinstimmen. Das Team synthetisierte dann 17 der ähnlichsten Kandidatenpeptide und testete sie auf ihre Fähigkeit, insB:9-23-spezifische Immunzellen zu aktivieren, die bei Typ-1-Diabetes auftreten. Die Wissenschaftler wiesen nach, dass nur Parabacteriodes distasonis, ein Peptid aus einem Darmbakterium, sowohl menschliche als auch Mäuse-Immunzellen aktivieren konnte, die spezifisch für insB:9-23 sind.
Ebenfalls konnte bewiesen werden, dass die Verabreichung dieses Bakteriums an Mäuse mit einem genetischen Risiko für Typ-1-Diabetes zu einer stärkeren Entzündung der insulinproduzierenden Inselzellen der Bauchspeicheldrüse und zu einem früheren Ausbruch von Diabetes führte. Die Analyse der Daten des menschlichen Darmmikrobioms zeigte, dass Kinder, die dieses Bakterium in ihrem Darmmikrobiom schon früh im Leben haben, ein viel höheres Risiko besitzen, an Typ-1-Diabetes zu erkranken als Kinder ohne dieses Bakterium. Der Studie lagen Daten von 269 Kleinkindern im Alter von bis zu 3 Jahren vor, die genetisch für Typ-1-Diabetes prädisponiert waren.
Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Peptide im normalen Darmmikrobiom das Insulinpeptid nachahmen können und das Potenzial haben, den Ausbruch von Typ-1-Diabetes im Frühstadium auszulösen oder sein Fortschreiten zu beschleunigen. Das Konzept lässt sich möglicherweise auch auf andere Autoimmunkrankheiten übertragen.
„Eine Vielzahl an Studien zum menschlichen Darmmikrobiom hat gezeigt, dass sich die Zusammensetzung der Darmmikrobiota bei Patienten mit Autoimmunkrankheiten deutlich von der gesunder Kontrollpersonen unterscheidet“, so Kahn. „Unsere Ergebnisse zeigen einen neuen Zusammenhang zwischen der molekularen Nachahmung eines Peptids, das von normalen Darmmikroben gebildet wird, und der Autoimmunreaktion bei Typ-1-Diabetes. Dies deutet auf das Potenzial hin, neue Instrumente – einschließlich Impfstoffe, Antibiotika oder Probiotika – für die Prävention und Behandlung von Typ-1-Diabetes und möglicherweise anderen Autoimmunkrankheiten zu entwickeln.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Joslin Diabetes Center. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: freestocks, unsplash