Ein Forscherteam konnte beweisen, dass eine abendliche Belohnung bei Fliegen antidepressiv wirken kann. Doch gilt dies auch für den Menschen? Die Wissenschaftler sahen sich nun die antidepressive Wirkung natürlicher Stoffe genauer an.
Auf den ersten Blick haben Menschen und Taufliegen nicht viel gemeinsam. Und doch lässt sich anhand der Fliegen viel über den Menschen herausfinden – etwa, wenn es um Depression geht. Wissenschaftler der Uni Mainz versuchen seit einiger Zeit mithilfe der Fliegen mehr über pflanzliche Wirkstoffe zur Behandlung depressiver Zustände herauszufinden z.B. anhand von Naturstoffen aus der traditionellen asiatischen Heilkunde. „Bei der Drosophila-Fliege können wir genau untersuchen, wo die jeweiligen Stoffe eingreifen, denn wir können die gesamte Signalkette analysieren“, sagt Prof. Roland Strauss vom Institut für Entwicklungsbiologie und Neurobiologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU).
Ziel ist es, die Wirkung der Stoffe nachzuweisen und die Reinstoffe des Pflanzenmaterials zu isolieren. Dadurch könnten diese langfristig als Medikament auf den Markt gebracht werden. Tatsächlich gibt es auch schon potentielle Kandidaten: „Einige könnten antidepressiv wirken oder prophylaktisch die Resilienz gegenüber chronischem Stress stärken, es kommt also erst gar nicht zu einem depressionsartigen Zustand“, so Prof. Strauss. Die Forscher setzten die Fliegen mildem, wiederkehrenden Stress aus, woraufhin diese in einen depressionsartigen Zustand verfielen: Sie liefen langsamer, ignorierten angebotenen Zucker und kletterten anders als entspannte Artgenossen nicht über Lücken. Die Fliegen verhielten sich jedoch anders, als sie verschiedene Naturstoffe erhielten. Dabei schien es entscheidend auf die Zubereitung des Naturstoffes anzukommen, z.B. ob dieser mit Wasser oder mit Alkohol extrahiert wurde.
Die Forscher machten noch eine interessante Entdeckung: Belohnten sie die Fliegen am Abend eines stressigen Tages mit zuckerhaltigem Futter oder aktivierten sie den Signalpfad für Belohnung, verhinderte dies ebenfalls den depressionsartigen Zustand. Bekannt waren die Zuckerrezeptoren an den Tarsen und am Rüssel sowie das Ende des Signalweges, bei dem Serotonin in die Pilzkörper – Lernzentrum der Fliege – ausgeschüttet wird. Der Pilzkörper entspricht dem Hippocampus beim Menschen. Fraglich ist nun, ob dieses Betthupferl auch beim Menschen funktioniert. Wie Untersuchungen zeigten, ist es der Vorgang jedoch komplex. Drei verschiedene Neurotransmitter-Systeme sind beteiligt, bis der Serotoninmangel an den Pilzkörpern durch Belohnung ausgeglichen wird: Unter anderem durch Dopamin, das auch beim Menschen Belohnung signalisiert. Dennoch sollten depressive Menschen nun nicht zu besonders zuckerhaltiger Nahrung greifen. Die Süße wird von der Fliege als Belohnung empfunden, die Menschen auf eine gesündere Art erlangen können.
In Zukunft möchte das Forscherteam mithilfe der Fliegen mehr über Resilienz-Faktoren im Genom herausfinden. Sie untersuchen nun, wie sich die Genome von Fliegen stressresistenten und sensiblen, depressiven Fliegen unterscheiden. Langfristig könnte es somit möglich sein, die genetische Anfälligkeit von Menschen für depressive Erkrankungen zu untersuchen – und etwa mit den ebenfalls im Projekt untersuchten Naturstoffen vorzubeugen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Die Originalpublikation findet ihr hier.
Bildquelle: Rachel Kelli, unsplash