Regelmäßige Bewegung beeinflusst das Mikrobiom im Darm – und das unabhängig von der Ernährung. Eine große Rolle spielen dabei Bakterien, die kurzkettige Fettsäuren produzieren. Sie vermehren sich besonders stark, wenn ihr Wirt körperlich aktiv und schlank ist.
Seit rund zehn Jahren steht das Darmmikrobiom bei Forschern hoch im Kurs. Sie bringen Fehlbesiedlungen des Darms mit Adipositas, Krebs, Diabetes oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen in Zusammenhang. So manche Kausalität konnte noch nicht zweifelsfrei bewiesen werden. Dass Bakterien im Darm unsere Gesundheit beeinflussen, steht aber fest. Umso wichtiger ist die Frage, wie es gelingt, unsere Darmflora zu beeinflussen.
Im ersten Schritt untersuchten Jacob Allen und Jeffrey Woods von der University of Illinois mögliche Effekte im Mausmodell. Die Nager konnten sich sechs Wochen im Laufrad bewegen oder hatten dazu keinen Zugang. Die Forscher entnahmen Stuhlproben aus dem Blinddarm und übertrugen sie auf keimfreie Tiere. Trainingsbedingte Unterschiede im Mikrobiom übertrugen sich dabei vom Spender auf den Empfänger. Die trainierten Spender hatten im Vergleich zu untrainierten Mäusen nun mehr Bakterien, die kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat produzieren. Diese Bakterien haben sich nach der Transplantation auch im Darm der Empfänger-Mäuse angesiedelt. „Das hat uns gezeigt, dass unsere Übertragung funktioniert“, so Woods. Kurzkettige Fettsäuren senken den pH-Wert im Darm, was die Ansiedlung pathogener Keime verhindert. Ein Mangel an kurzkettigen Fettsäuren wird unter anderem auch mit entzündlichen Darmerkrankungen in Zusammenhang gebracht. Um eine akute Colitis zu provozieren, erhielten Mäuse nach der Stuhltransplantation Natriumdextransulfat. Allen: „Wir fanden heraus, dass diese Tiere eine abgeschwächte Reaktion auf die Chemikalie zeigten.“ Außerdem liefen Regenerationsprozesse schneller ab.
Anschließend wollten Allen und Woods herausfinden, ob ihre Erkenntnis auch für Menschen gilt. Sie rekrutierten 18 schlanke und 14 übergewichtige Probanden, die zuvor sitzenden Tätigkeiten nachgegangen waren. Dann folgten sechs Wochen Ausdauertraining an drei Tagen pro Woche. Zuerst waren es 30 Minuten, später 60 Minuten pro Tag. Auch die Intensität erhöhten Allen und Woods von zunächst 60 auf 75 Prozent der Herzfrequenz-Reserve. Anschließend gingen die Teilnehmer wieder ihrem normalen Lebensstil nach. Die Forscher nahmen in regelmäßigen Abständen Stuhlproben. Als Folge der körperlichen Aktivität erhöhte sich die Konzentration kurzkettiger Fettsäuren wie Butyrat. Genetische Tests bestätigten, dass damit auch eine Veränderung im Mikrobiom verbunden war. Der Effekt war bei schlanken Teilnehmern besonders stark ausgeprägt, verschwand jedoch wieder, sobald Probanden wieder ihrer sitzenden Tätigkeit nachgingen.
„Dies sind die ersten Studien, die zeigen, dass Bewegung unabhängig von der Ernährung oder anderen Faktoren Einfluss auf den Darm hat“, fasst Woods zusammen. „Die Quintessenz ist, dass es deutliche Unterschiede gibt, wie das Mikrobiom von übergewichtigen oder schlanken Menschen auf Bewegung reagiert.“ In seiner Arbeit sieht er derzeit vor allem Impulse für weitere Forschungsprojekte: „Wir müssen herausfinden, warum das so ist.“