Spermien verpacken DNA-Fäden besonders platzsparend. Eine Studie bringt jetzt neue Erkentnisse zur Unfruchtbarkeit bei Männern zutage.
Wer anlässlich des nahenden Urlaubs Probleme beim Kofferpacken hat, sollte sich ein Beispiel an menschlichen Spermien nehmen. Die können DNA-Fäden von einem Meter Länge auf engstem Raum verpacken, ohne dass sie beschädigt werden. Der Kopf des Spermiums, in dem die hauchfeinen Fäden unterkommen müssen, hat einen Durchmesser von drei tausendstel Millimeter. Normalerweise bildet die DNA ein vergleichsweise lockeres Knäuel, aufgrund des Platzmangels muss sie in den Samenzellen jedoch enorm komprimiert werden. Die Pack-Strategie nennt man Hyperkondensation.
In ihrem lockeren Zustand sind die DNA-Fäden um zahlreiche Eiweißmoleküle – die Histone – gewickelt. Bei der Hyperkondensation werden die Histone dann von Protaminen ersetzt, die aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung eine sehr starke Anziehungskraft auf die DNA ausüben: Dies bewirkt, dass die DNA-sich in sehr straffen Schleifen um die Proteine wicklen. „Die meisten Säugetiere scheinen nur eine einzige Sorte von Protaminen zu produzieren, das PRM1“, erklärt Dr. Lena Arévalo. „Bei Menschen, aber auch Nagetieren wie der Maus, ist das anders – sie verfügen noch über einen zweiten Typ, das PRM2.“ Wozu dieses zweite Protamin genau benötigt wird, war bislang nicht bekannt.
Eine aktuelle Studie liefert nun neue Erkenntnisse zu diesem wichtigen Mechanismus. Bisher wusste man lediglich, dass während der Spermien-Entwicklung einige Teile des zweiten Protamins abgeschnitten werden. In ihrer Studie haben die Wissenschaftler nun herausgefunden, dass dieser abgeschnittene Teil von großer Bedeutung ist: Das Forscherteam konnte zeigen, dass Mäuse, die nur ein verkürztes PRM2-Molekül produzieren, dem die normalerweise entfernten Schnipsel fehlen, unfruchtbar sind. „Der Ausbau der Übergangs-Proteine im Zuge der Hyperkondensation ist bei ihnen gestört“, sagt Arévalo. „Außerdem scheint die Verdichtung bei ihnen zu schnell abzulaufen, sodass die DNA-Fäden brechen oder anderweitig Schaden nehmen.“
Diese Erkenntnis lässt sich möglicherweise auch auf den Menschen übertragen: Demnach könnte ein defektes Protamin 2 zur Unfruchtbarkeit von Männern führen. Die Arbeitsgruppe will dieser These nun weiter nachgehen. „Es gibt nur wenige Gruppen, die die Rolle der Protamine bei der Hyperkondensation analysieren“, sagt Studienleiter Prof. Hubert Schorle. „Als bislang einzigem Labor weltweit ist es uns gelungen, Mauslinien zu züchten, mit denen sich bestimmte Defekte beider PRM-Gene gezielt studieren lassen. Das ermöglicht es uns und anderen, die Prozesse bei der Spermienentstehung weiter zu erforschen.“ Mittelfristig könnten daraus auch neue Therapien gegen Infertilität des Mannes erwachsen, hofft der Forscher.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Bonn. Die Originalpublikation findet ihr hier.
Bildquelle: Caroline Selfors, unsplash.