Bewegung ist insbesondere für Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen wichtig. Ein aktuelles Forschungsprojekt möchte mit „Gesundheitsfußball“ Betroffene zur Aktivität anspornen.
Regelmäßige Bewegung zählt zur besten Medizin – sowohl, um Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen als auch zur Therapie bei Herzerkrankung. Mit Ausdauerbewegung (5-mal pro Woche á 30 Minuten) lassen sich nahezu alle wichtigen Risikofaktoren für Herzinfarkt und Schlaganfall wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen und Adipositas bessern. Und Sport wirkt auch psychischem Stress und Depression entgegen. Dennoch schafft es ein Großteil der Bevölkerung nicht, sich wenigstens 2,5 Stunden pro Woche mit mäßiger Intensität zu bewegen – wie von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen.
Gerade Patienten mit Herzerkrankung haben im Zuge ihrer chronischen Krankheit häufig den „Drive“ verloren, sich regelmäßig zu bewegen. Manche waren etwa vor ihrer Erkrankung in einer Ballsportart aktiv, trauen sich das aber im höheren Alter und wegen ihrer Herzkrankheit nicht mehr zu. Für sie sind deshalb niederschwellige Bewegungskonzepte gefragt, die Sport mit Spaß verbinden. Das Forschungsprojekt „MY-3F-Studie“ soll speziell Menschen mit koronarer Herzkrankheit (KHK), oder nach einem Herzinfarkt zu mehr körperlicher Aktivität anspornen.
„Der Lebensstilfaktor Ausdauerbewegung ist enorm wichtig, um das Risiko für Herzinfarkt und andere Herz-Kreislauf-Komplikationen wie Schlaganfall oder plötzlicher Herztod zu verringern“, betont der Kardiologe Prof. Dr. Thomas Voigtländer. „Wir fördern dieses Projekt, weil Fußball ein populärer Breitensport ist. Und ein auf Herzkranke abgestimmtes, attraktives Bewegungskonzept kann bedeutsam zur Verbesserung der kardiovaskulären Prävention in Deutschland beitragen.“
Die MY-3F-Studie leistet zudem einen wichtigen Forschungsbeitrag, indem jetzt auch die Gesundheitseffekte von Fußball bei kardiovaskulären Erkrankungen wissenschaftlich erfasst werden. „Wissenschaft, Fußball und Gesundheit miteinander zu verbinden ist eine tolle Sache“, so der Niedersächsische Wissenschaftsminister Björn Thümler. „Damit zeigt sich, dass Wissenschaft lebenswichtige Fragestellungen adressieren, den Beteiligten zugleich Spaß machen und dabei eine hohe Breitenwirkung entfalten kann“, so der Minister weiter.
Studien belegen, dass auch Patienten mit bestehender KHK oder nach einem Herzinfarkt nicht ausreichend Medikamente erhalten, die sich gegen ihre kardiovaskulären Risikofaktoren richten. Und auch lebensstilfördernde Maßnahmen wie Bewegung, gesunde Ernährung und Rauchverzicht werden nicht ausreichend umgesetzt.
Dabei ist die Verbesserung der körperlichen Aktivität auch bei diesen Patienten ein Kernelement, um das Fortschreiten der Herzerkrankung oder einen neuen Herzinfarkt zu verhindern. „Mit der MY-3F-Studie untersuchen wir am Beispiel Fußball, inwiefern sich mit diesem Sport besonders auch lange inaktive Personen mit Risikokrankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes oder einer Herzerkrankung für körperliche Aktivität gewinnen lassen. Denn das ist bei dieser Personengruppe meist besonders schwierig“, berichtet der Internist und Studienleiter Prof. Dr. Joachim Schrader, Institut für Klinische Forschung in Cloppenburg.
Fußball ist die mit Abstand populärste Sportart in Deutschland. Die Verbreitung in sämtlichen Regionen und die starke Infrastruktur sind von Vorteil, wenn es darum geht, mehr Menschen mit Risikofaktoren oder bestehender Herzerkrankung zu körperlicher Aktivität zu ermutigen. Allerdings hat Fußball als Präventions- oder Gesundheitssportart derzeit praktisch keine Bedeutung.
Dies liegt den Projektleitern zufolge einerseits an der fehlenden wissenschaftlichen Datenlage zur Verbesserung bestimmter Gesundheitsparameter durch Fußball. „Neben dem typischen auf Wettkampf ausgerichteten Fußball gibt es kaum Angebote für ausschließlich auf Gesundheitsaspekte angelegtes Fußballspielen“, sagt Schrader, selbst ein begeisterter Fußballer. Dies gilt insbesondere für ältere Personen mit Risikofaktoren oder bereits bestehender KHK. Der wettkampforientierte Fußball wird dem Internisten zufolge den speziellen Bedürfnissen von inaktiven Personen mit Risikofaktoren oder Herzerkrankungen „nicht gerecht – auch wegen der Verletzungsgefahr“.
Das Trainingsformat der MY-3F-Studie ist daher auf die Verbesserung von Fitness, Spaß und Gesundheit durch Fußball ohne wesentliches Verletzungsrisiko ausgerichtet. Dieses Konzept „Gesundheitsfußball“ wurde von der Studiengruppe entwickelt und beinhaltet den Verzicht auf direkte Zweikämpfe und gefährliche Kontaktaktionen. Der Schwerpunkt liegt auf einem zielgruppenorientierten Pass- und Laufspiel. Vier kleine Tore ziehen die Spielfläche für dieses Trainingskonzept in die Breite. Das unterstützt die Balleroberung über das Laufen statt Tacklings.
Hinzu kommen eine Unterbrechung des Trainings mit Dehnübungen zur Vorbeugung von Muskelverletzungen und der vermehrte Einbau von Koordinations- und Kognitionsübungen. Jeder Teilnehmer hat unabhängig von seinen fußballerischen Fähigkeiten gleich viele Ballkontakte. Zu einem derartigen Programm gehören auch leichtere Bälle. Voraussetzung sind ausgebildete Trainer, die ein derartiges Konzept in einer Gruppe umsetzen. Mit der MY-3F-Studie bauen die Ärzte und Forscher auf die erste „3F-Studie: Fit und Fun mit Fußball“ auf.
Dieses Programm für „Gesundheitsfußball“ wurde bereits bei noch gesunden Teilnehmern mit Risikofaktoren für Herzkreislauferkrankungen erfolgreich eingesetzt. Die primären Ziele – Blutdrucksenkung, Gewichtsabnahme, Reduktion von Medikamenten – wurden erreicht, ohne dass es zu wesentlichen Verletzungen kam.
Ziel der anlaufenden MY-3F-Studie ist es, das erfolgreiche 3F-Trainingskonzept „Gesundheitsfußball“ in einer Studie bei Patienten mit bestehender KHK oder nach Myokardinfarkt im Vergleich zu einer Kontrollgruppe einzusetzen und so den Gesundheitsfußball auch in der Sekundärprävention zu etablieren. Körperlich inaktive Patienten mit Herzerkrankungen trainieren über ein Jahr einmal die Woche für 90 Minuten unter einem für Gesundheitsfußball DFB-lizenzierten Trainer.
Das Konzept von Gesundheitsfußball soll langfristig landesweit etabliert werden, daher sind eine Anbindung an lokale Fußballvereine und eine Ausbildung von Trainern erforderlich. Um ein langfristiges Präventionsangebot zu schaffen, wurden bereits Vereine eingebunden und eine Zusatzqualifikation von Trainern speziell für „Gesundheitsfußball“ vom DFB geschaffen. Insgesamt haben 17 Frauen und 73 Männer für eine Teilnahme an der MY-3F-Studie zugesagt, insgesamt 110 bis 120 Studienteilnehmer sollen in die Studie eingeschlossen werden.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Deutsche Herzstiftung/Deutsche Stiftung für Herzforschung. Die Originalpublikation findet ihr hier und im Text.
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