UMFRAGE-ERGEBNISSE | Wir haben euch zum Thema Umgang mit Fehlern in der Medizin befragt – und ihr habt geliefert. Leider heißt es für viele von euch: Fehlerkultur? Fehlanzeige!
Vergangene Woche haben wir eine Umfrage zum Thema Fehlerkultur im Ärzteberuf gestartet. Wir wollten von euch wissen: Wie ist euer Umgang mit Fehlern und welche Konsequenzen haben sie für euch? Die Ergebnisse unserer Umfrage wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten. Hier sind sie!
Insgesamt 134 Personen haben sich durch unsere Umfrage geklickt – knapp 60 Prozent von ihnen waren Ärzte. Auch Apotheker und PTAs sowie Pfleger und MTAs waren zusammen mit rund 30 Prozent vertreten. Was direkt ins Auge springt: Fast alle Teilnehmer haben schon einen Fehler bei der Arbeit gemacht oder bei einem Kollegen mitbekommen. Gerade einmal vier Umfrageteilnehmer gaben an, noch nie einen Fehler gemacht zu haben.
Die Hälfte der Antwortenden hatte beim Bemerken des Fehlers sofort Panik und fühlte sich schuldig. Einige wenige hatten offenbar so große Angst vor Konsequenzen, dass sie ihren Fehler für sich behalten haben. Knapp 40 Prozent der Teilnehmer waren hingegen zwar verärgert, aber hielten es ganz im Sinne von „Fehler passieren eben“.
Die meisten haben ihren Fehler auch direkt gemeldet: Knapp 60 Prozent der Befragten haben sofort Bescheid gesagt, damit nicht noch mehr passiert; 30 Prozent haben zumindest mit einem Kollegen darüber gesprochen. Fünf Umfrageteilnehmer gaben an, sich unauffällig verhalten und gehofft zu haben, dass niemand etwas merkt.
Für 45 Prozent waren die Konsequenzen für den Patienten das Schlimmste, als sie den Fehler bemerkten. Aber so ein Missgeschick kratzt wohl auch gewaltig am Ego: Immerhin gab ein Fünftel der Befragten an, das Schlimmste daran sei gewesen, dass sie sich sofort als schlechte Ärzte gefühlt hätten. Rund zehn Prozent hätten nicht damit gerechnet, dass ihnen selbst mal ein Fehler passiert und für weitere neun Prozent war das Schlimmste, dass ihnen der Fehler vor Kollegen und Chefs peinlich war.
Ein Umfrageteilnehmer antwortete auf die Frage „Was war das Schlimmste daran, den Fehler zu merken?“ selbstkritisch: „Dass ich wusste, dass ich im übermüdeten Zustand Fehler machen kann und nicht die ‚Notbremse‘ gezogen habe.“ Die Antwort eines anderen Teilnehmers – wohl eher praktischer Natur: „Zusatzaufwand, es in Ordnung zu bringen“.
Als Nächstes wollten wir von euch wissen, wie ihr eure Fehler kommuniziert habt. Was auffällt: Drei Viertel der Umfrageteilnehmer haben ihren Anteil am Fehler anerkannt und waren bereit, die Konsequenzen zu tragen. Viele der Befragten gaben aber auch an, dass der Fehler im System lag (Überarbeitung, keine Zeit usw.) und sie das „klar so gesagt hätten – dort muss sich etwas ändern“.
Und wie hat der Chef oder das Team reagiert? Leider wenig erfreulich: Die meisten (41 Prozent) gaben an, dass ihre Beichte kommentarlos hingenommen wurden und nichts weiter passierte. Bei immerhin 39 Prozent wurde der Fehler analysiert und im Team besprochen, damit er nicht wieder vorkommt. Ein Fünftel der Teilnehmer hat entweder selbst Ärger bekommen ohne, dass der Fehler analysiert wurde oder das ganze Team erhielt eine Standpauke vom Chef.
Interessant ist, dass zwar offenbar bei den meisten Teilnehmern keine Fehleranalyse stattfand. Die Mehrzahl der Teilnehmer (54 Prozent) findet aber dennoch den Umgang mit Fehlern in ihrer Klinik oder Praxis in Ordnung – auch wenn er noch verbessert werden könnte. Ganze 34 Prozent geben an, keinerlei Fehlerkultur in ihrem Arbeitsumfeld zu haben und nur 12 Prozent sind vollends zufrieden mit der Fehlerkultur bei ihrem Arbeitgeber oder in ihrem Team.
Zum Schluss haben wir euch gefragt, was ihr euch in Bezug auf Fehler in der Medizin wünschen würdet. Viele Teilnehmer lieferten die gleiche Antwort: Einen offenen und transparenten Umgang mit Fehlern und eine angstfreie Kommunikation – wer will schon einen Fehler beichten, wenn er vom Chef mit nichts mehr als einer Standpauke rechnen muss. Ein HNO-Arzt wünscht sich konkret: „Rückhalt der Kollegen, Verständnis, dass Ärzte wie jeder Mensch bei Überlastung auch versehentlich Fehler machen können, offene Gespräche und zielorientierte Fehlersuche.“ Denn nur so könne man aus Fehlern auch einen Lerneffekt ableiten, schreibt ein Tierarzt. Wichtig sei zudem die offene Kommunikation von Fehlern den Patienten gegenüber und nicht nur innerhalb des Teams.
Ein Kinderchirurg wünscht sich „mehr Fortbildungen und internes Coaching. Es gibt in der Medizin auch keine Feedback-Kultur. Bei solchen Schichtdiensten, bei denen man am Rande seiner körperlichen und mentalen Grenzen arbeitet, kommt es unweigerlich zu Fehlern.“ Auch Angst vor Konsequenzen ist ein Thema. Ein Neurologe fordert: „Mehr Akzeptanz, dass Fehler dazugehören. Solange man bei jedem kleinen Fehler um seine Approbation fürchten muss, werden Fehler unter den Teppich gekehrt werden.“
Hier kommt auch die Politik ins Spiel. Viele unserer Leser sind sich einig, dass Fehler auch passieren, weil Mediziner schlicht überarbeitet sind – es also auch „an strukturellen Problemen liegt, die ebenfalls – teilweise auf Seiten der Politik – angegangen werden müssen“, wie ein Internist es formuliert. Überstunden und Arbeitsverdichtung müssten minimiert und mehr Personal müsste ausgebildet werden, damit weniger Fehler passieren, finden viele Leser.
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