Ein Infrarot-Sensor soll die ersten Anzeichen von Alzheimer erkennen, lange bevor deutliche Symptome auftreten. Dafür reicht eine einfache Blutabnahme – doch das Ganze steckt noch in den Kinderschuhen.
Bei der Demenzerkrankung Morbus Alzheimer verursacht eine Fehlfaltung des Proteins Beta-Amyloid charakteristische Ablagerungen im Gehirn, senile Plaques, die irreversible Schäden im Gehirn hinterlassen. Bis diese sichtbar werden, können Erkrankte jedoch 15 bis 20 Jahre lang einen symptomfreien Verlauf haben. In Europa ist bisher kein Medikament verfügbar, das nachgewiesene Plaques frühzeitig abbauen und somit Symptome verhindern kann.
„Bisher scheiterten reihenweise klinische Studien für Alzheimer-Medikamente offenbar an dem zu späten Zeitpunkt für die Therapieansätze, weil die in den Studien eingesetzten etablierten Plaque-Tests die Erkrankung offensichtlich nicht rechtzeitig anzeigen“, erklärt Prof. Klaus Gerwert von der Uni Bochum. Bisher werden die Plaques entweder mit PET-Scan-Technologie direkt im Gehirn nachgewiesen oder anhand von Protein-Biomarker-Konzentrationen im Nervenwasser bestimmt. Diese Verfahren sind jedoch aufwändig und teuer.
Ein Forscherteam entwickelte daher eine neue Methode zur Plaques-Diagnostik: Ein Immuno-Infrarot-Sensor, der besonders früh die Fehlfaltung des Beta-Amyloids detektiert. Dazu ist nur eine einfache Blutuntersuchung notwendig. In einer ersten Studie konnten die Entwickler bereits bis zu 17 Jahre vor Auftreten der erster klinischer Symptome Anzeichen für die Alzheimer-Krankheit im Blut identifizieren. Dazu analysierten sie mithilfe des Sensors das Blutplasma von Probanden – das bereits 2002 entnommen wurde – auf potenzielle Alzheimer-Biomarker. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Probanden noch keine Diagnose einer Alzheimer-Erkrankung. Bei etwa 68 Teilnehmern wurde während der Nachbeobachtung dann die Diagnose Alzheimer gestellt.
Das Besondere: Der Immuno-Infrarot-Sensor konnte die später an Alzheimer erkrankten Probanden im Vergleich zu anderen vielversprechenden Biomarkerkandidaten mit einer hohen Testgenauigkeit identifizieren. Auch die sehr empfindliche SIMOA-Technologie – insbesondere den P-tau181-Biomarker – konnte den Sensor nicht schlagen. „Im Gegensatz zur klinischen Phase ist dieser Marker für die frühe symptomfreie Phase von Alzheimer nicht geeignet“, fasst Gerwert die Ergebnisse der Vergleichsstudie zusammen.
„Überraschenderweise haben wir aber festgestellt, dass die Konzentration des Gliafaserproteins (GFAP) bis zu 17 Jahre vor der klinischen Phase die Erkrankung anzeigen kann, allerdings deutlich weniger präzise als der Immuno-Infrarot-Sensor.“ Durch die Kombination von Amyloid-beta-Fehlfaltung und GFAP-Konzentration konnten die Wissenschaftler allerdings die Genauigkeit des Tests im symptomfreien Zustand weiter erhöhen.
Die Bochumer Forscher hoffen nun, dass mithilfe des Sensors eine frühe Diagnose von Amyloid-beta-Fehlfaltung gestellt werden kann. Diese soll dann weiterhin bewirken, dass Alzheimer-Medikamente rechtzeitig eingesetzt werden können und dadurch ihre Wirkung besser entfalten. „Wir möchten mit dem Fehlfaltungstest eine Vorsorge für ältere Menschen etablieren und ihr Risiko bestimmen, an Alzheimer-Demenz zu erkranken“, sagt Erstautor Klaus Gerwert. „Die Vision ist, dass die Erkrankung in symptomfreiem Zustand gestoppt werden kann, bevor irreversible Schäden entstehen.“
Noch ist der Sensor in der Entwicklungsphase. Die Erfindung ist aber bereits weltweit patentiert. Ein Start-Up soll nun den Immuno-Infrarot-Sensor zur Marktreife und zur Zulassung als Diagnostikgerät bringen. Fehlgefaltete Proteine spielen auch bei vielen anderen neurodegenerativen Erkrankungen eine Rolle, wie etwa bei Parkinson oder amyotropher Lateralsklerose (ALS). Die Forscher gehen davon aus, dass der Immuno-Infrarot-Sensor auch für die Detektion anderer fehlgefalteter Proteine eingesetzt werden kann.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Ruhr-Universität Bochum. Die Originalpublikation findet ihr hier.
Bildquelle: Ramón Salinero, unsplash.