Aktuelle Forschungsdaten werfen ein neues Licht auf die Prozesse, die bei Vorhofflimmern das Herz beeinträchtigen. So schädigen elektrische Erregungswellen auch die Herzkammern.
Für die Therapie bei Vorhofflimmern (VHF) ist es wichtig, genau zu verstehen, wie dieses „Störfeuer“ im Herzen – das auch als nicht-tachykardes Vorhofflimmern auftreten kann – entsteht und wie es sich auf die Herzfunktion auswirkt. Die Forschungsarbeit von Dr. Pabel „Effects of atrial fibrillation on the human ventricle“ hat dies nun untersucht und ist dazu im Fachjournal Circulation Research erschienen.
„Erstaunlicherweise kennt man bisher die Abläufe im Vorhof des Herzens näher. Noch unverstanden sind hingegen die Effekte des Vorhofflimmerns auf die Funktion der Herzkammer, den sogenannten Ventrikel, und damit auf das gesamte Herz“, betont Dr. Steffen Pabel vom Universitätsklinikum Regensburg.
„Die Erkenntnisse von Dr. Pabel und Team sind für die klinische Forschung von großer Bedeutung, weil sie erstmals die nachteiligen Effekte von Vorhofflimmern auf den menschlichen Ventrikel beschreiben. Seine Untersuchungen tragen dazu bei, die Wirkmechanismen von Therapien zur Wiederherstellung des normalen Herzrhythmus (Sinusrhythmus) erklären zu können, so wie wir sie in klinischen Studien gesehen haben“, betont Prof. Armin Welz, Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Stiftung für Herzforschung.
Dabei könnten Pabels Erkenntnisse zu den Krankheitsmechanismen nicht nur bedeutsam für die künftige Behandlung der rund 1,8 Mio. Patienten mit VHF sein, sondern auch für schätzungsweise 4 Millionen Menschen mit Herzschwäche (Herzinsuffizienz). Denn VHF und Herzschwäche treten sehr häufig gemeinsam auf – mit ungünstigen Effekten für den Krankheitsverlauf der Betroffenen.
Vorhofflimmern kann zudem langfristig zu einer Herzschwäche führen. Klinische Studien (u.a. CASTLE-AF-Studie und CAMERA-MRI Studie) haben bereits nachgewiesen, dass eine Rhythmustherapie bei Patienten mit Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern die Funktion der linken Herzkammer verbessern und die Sterblichkeit verringern kann.
Dr. Pabel und sein Team haben von Patienten mit Sinusrhythmus oder Patienten mit Vorhofflimmern Herzmuskelgewebe aus der linken Herzkammer analysiert. Bei allen Patienten war die Funktion der linken Herzkammer erhalten (Auswurffraktion [EF] bei über 50 %).
Die Patienten mit Vorhofflimmern wiesen ein sogenanntes frequenzkontrolliertes Vorhofflimmern auf. Das heißt, bei ihnen war die Herzfrequenz normal, jedoch bestand weiterhin der für Vorhofflimmern typische unregelmäßige Herzschlag. Bei den Untersuchungen zeigten sich keine strukturellen Unterschiede wie Narbengewebe im Herzmuskel (Fibrose) der linken Herzkammer zwischen den Patienten mit Sinusrhythmus und denen mit Vorhofflimmern.
„Allerdings haben wir bei den Patienten mit Vorhofflimmern feststellen können, dass in den Herzmuskelzellen, den Kardiomyozyten, der linken Herzkammer der für die Kontraktion des Herzmuskels wichtige Kalziumhaushalt gestört war“, so Pabel. Bei weiteren In-vitro-Versuchen mit Kardiomyozyten konnte Pabel bestätigen, dass auch künstlich erzeugtes Vorhofflimmern den Kalziumhaushalt beeinträchtigte.
Ein geordneter Ein- und Ausstrom von Kalzium (Ca²+) wie auch von Natrium (Na+) und Kalium (K+) in jeder einzelnen Herzmuskelzelle ist wichtig, damit sich der Herzmuskel zusammenzieht und wieder entspannt. Dafür muss zunächst ein sog. Aktionspotenzial aufgebaut werden, das sich dann über das Muskelgewebe ausbreitet. Beim Aktionspotenzial handelt es sich um eine kurzzeitige Änderung des elektrischen Erregungszustands innerhalb einer Muskelzelle, was durch die Verschiebung der verschiedenen Ionen (Ca²+, Na+ und K+) entsteht.
Letztlich löst die Erregungswelle im Herzen über eine elektromechanische Kopplung, an der ganz wesentlich Ca²+ beteiligt ist, dann die Kontraktion, also einen Herzschlag, aus. „Eine reduzierte systolische Konzentration von Kalziumionen in Herzzellen kann daher mit einer eingeschränkten Kontraktionsfähigkeit des Herzens einhergehen und auf eine Fehlfunktion des Herzens in der Systole, der Kontraktionsphase, hindeuten“, betont Dr. Pabel.
In weiteren Untersuchungen am Labormodell mit humanen Herzmuskelzellen, die von herzgesunden Spendern stammten, konnten die Forscher diesen Prozess bestätigen. Dafür hat Pabel die Simulation von Vorhofflimmern in vitro etabliert. „Auch in dieser Simulation zeigten sich reduzierte Ca²+-Transienten in den menschlichen Herzmuskelzellen der linken Herzkammer“, erklärt Pabel.
Darüber hinaus zeigten sich bei weiteren Versuchen mit standardisierten, aus Stammzellen hergestellten Herzkammerzellen, dass durch künstlich erzeugtes Vorhofflimmern Prozesse auftreten, wie sie auch bei den ungünstigen Umbauprozessen bei Herzschwäche (Remodelling) bekannt sind, z. B. vermehrt oxidativer Stress im Herzmuskel der linken Herzkammer. Zudem war die Aktivität eines spezifischen Enzyms, die Ca²+/Calmodulin-abhängige Proteinkinase IIδc (CaMKII), die maßgeblich am Fortschreiten der Herzinsuffizienz beteiligt ist, erhöht. Wurde die CaMKII-Aktivität blockiert sowie der oxidative Stress reduziert, konnten die Störung des Ca²+/Na+-Gleichgewichts, die das Vorhofflimmern zuvor auslöste, verhindert werden. „Damit haben wir diese Mechanismen kausal bestätigen können“, erläutert Pabel.
Aus den Daten zieht der Forscher und Winterstein-Preisträger als Fazit: „Unsere Erkenntnisse zu den nachteiligen Effekten des Vorhofflimmerns auf die Herzkammer sollte Ärzte und Wissenschaftlicher dazu anregen, Vorhofflimmern nicht nur als eine Erkrankung des Vorhofs, sondern als eine Erkrankung des gesamten Herzens zu verstehen.“
Der Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Herzstiftung e.V./Deutsche Stiftung für Herzforschung. Die Originalpublikation findet ihr hier und im Text verlinkt.
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