Die Klimakrise ist akut und Lösungen müssen her. Forscher untersuchten nun anhand eines Milchviehbetriebs, inwieweit sich ein Wechsel von konventioneller zu ökologischer Produktion lohnt – mit überraschenden Ergebnissen.
Stellt ein Milchbetrieb seine Produktion von konventionell auf ökologisch um, kann das seinen Klimafußabdruck um bis zu 9 Prozent reduzieren. Das zeigt eine neue Studie unter Leitung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO), für die ein Milchbetrieb über zwei Jahre bei diesem Prozess begleitet wurde. Trotz des Mehraufwands blieben auch die Erträge auf hohem Niveau, wie das Team im Fachjournal Agronomy for Sustainable Development schreibt.
„Unsere Studie zeigt, dass es keinen Widerspruch zwischen einer umweltfreundlichen Produktion und dem Aufrechterhalten der Produktivität eines Betriebs geben muss“, sagt Arthur Groß vom Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften der MLU. Das Team untersuchte den Milchviehbetrieb Hof Pfaffendorf nördlich von Halle, der 2018 seine Produktion von konventionell auf ökologisch umgestellt hatte. Mit einer Ackerfläche von etwa 675 Hektar und mehr als 650 Kühen gehöre der Bio-Betrieb zu den größten in der Region, so Groß.
Während der Umstellung wurde zum Beispiel das Futter für die Kühe geändert: Anstelle von Kraftfutter sollte künftig vermehrt auf regional angebaute Feldfrüchte, Stroh und Gras gesetzt werden. „Kraftfutter wird relativ energieintensiv und abseits des Hofs produziert. Eine regionale Futterproduktion ist dagegen deutlich ressourcenschonender und umweltfreundlicher, da die externen Anlieferungen wegfallen und weniger Dünger zum Einsatz kommt“, so Groß. Außerdem beschlossen die Landwirte, den in der Bio-Produktion untersagten Mineraldünger ausschließlich durch hofeigene Gülle zu ersetzen und keine weiteren organischen Düngemittel extern zuzukaufen.
Vor und während der Umstellung führten die Forscher anhand internationaler Standards eine sogenannte „Carbon Footprint-Analyse“ durch, um eine ganzheitliche Klimabilanz für den Betrieb zu ermitteln. Hierfür sammelten sie alle verfügbaren Betriebsdaten. Dazu gehören zum Beispiel Angaben zu angebauten Pflanzen, zum Einsatz von Dünger, zur Größe des Betriebs oder zu Futtermitteln für die Kühe. Auch der Kraftstoffverbrauch der verwendeten Fahrzeuge und ob bestimmte Produkte eingekauft und angeliefert werden müssen, wurden für die Berechnung berücksichtigt. „All das ist relevant, um die Klimabilanz eines Betriebs präzise zu modellieren“, sagt Dr. Florian Schierhorn vom IAMO. Anschließend berechnete das Team die Emissionen pro produziertem Liter Milch.
Das wichtigste Ergebnis: Durch die Umstellung sanken die Treibhausgas-Emissionen pro Liter um 9 Prozent. Allerdings profitierten nicht alle Bereiche des Hofs gleichermaßen von dem Wechsel: Während die Emissionen beim Dünger und beim Tierfutter deutlich sanken, stieg der Methanausstoß der Tiere an, da durch den höheren Raufasergehalt der Bio-Futtermittel die Verdauung angeregt wird. Zudem sank durch den Verzicht auf Kraftfutter die Milchleistung der Kühe. „Allerdings sind die Ertragseinbrüche unter den Erwartungen geblieben, das Produktionsniveau konnte relativ gut gehalten werden“, erklärt Schierhorn.
Die Ergebnisse aus Halle decken sich mit Erhebungen in ähnlich intensiven Produktionsregionen etwa in Europa und Nordamerika, die die Klimabilanz von Bio-Betrieben berechneten. Das Autorenteam geht davon aus, dass sich die Ergebnisse auf viele ähnlich strukturierte Betriebe in Deutschland übertragen lassen. „Die Bundesregierung hat das Ziel, den Ökolandbau auf einen Flächenanteil von 30 Prozent auszuweiten. Unsere Studie liefert dafür klimapolitische und wirtschaftliche Argumente“, sagt Schierhorn abschließend.
Der Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Die Originalpublikation findet ihr hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Likuan Wang, unsplash