Ein neuartiges Hydrogel-Pflaster sagt Krebs den Kampf an. Kann das Wiederauftreten von Tumoren durch einfaches Überkleben künftig verhindert werden?
Mit der erfolgreichen, operativen Therapie einer Krebserkrankung ist es oftmals nicht getan. Im Anschluss sorgen verschiedenste Methoden und engmaschige Kontrollen dafür, auch im Verlauf krebsfrei zu bleiben. Eine Forschungsgruppe der University of Wisconsin-Madison, USA, hat nun ein arzneimittelfreisetzendes Hydrogel entwickelt, um die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass Krebs nach operativer Resektion erneut auftritt. In ihrer Studie, welche in der Zeitschrift Nature veröffentlicht wurde, fanden sie heraus, dass das Gel Faktoren für das Wiederauftreten von Krebs bei Mäusen verringern kann, insbesondere bei Mäusen mit Dickdarmkrebs, Melanom und dreifach negativem Brustkrebs.
Wenn möglich, ist eine Operation die erste Wahl bei der Behandlung von Patienten mit soliden Tumoren. Teilweise ist es dem operativen Team jedoch nicht möglich, das gesamte entartete Gewebe herauszunehmen. Dabei bleiben Krebszellen zurück, die im Laufe der Zeit zu einem Wiederauftreten des Krebses führen können.
Ein wesentlicher Faktor im erneuten Wachstum der zurückgelassenen Tumorzellen sollen laut früheren Studien Immunzellen sein, die als tumorassoziierte Makrophagen (TAMs) bekannt sind. Diese sezernieren nach der Tumoroperation große Mengen entzündungshemmender Faktoren und helfen den verbleibenden Tumorzellen, der Immunüberwachung zu entgehen. Dadurch gestaltet sich das kontrollfreie Wachstum der entarteten Zellen besonders einfach.
Andere Forschungsarbeiten zeigen, dass Menschen mit weniger TAMs nach einer Operation ein geringeres Tumorwachstum aufweisen. TAMs wurden auch häufig als prognostische Marker für das Wiederauftreten von Krebs nach einer Operation verwendet. Neu ist nun der Ansatz der US-amerikanischen Forschungsgruppe, die TAMs durch ihr Hydrogel gezielt und lokal zu verringern, um diesen positiven Effekt klinisch nutzbar zu machen.
Die Forscher stellten die Hypothese auf, dass durch lokale Verabreichung einer Immuntherapie gegen TAMs dem Tumorwachstum direkt vor Ort entgegengesteuert werden könnte. Dazu entwickelten sie ein Hydrogel-Pflaster mit zwei Wirkstoffen.
Bei dem ersten handelt es sich um Pexidartinib (PLX), von dem bekannt ist, dass es TAMs hemmt, indem es die Rezeptoren des kolonie-stimulierenden Faktors 1 (CSF1R) blockiert. Der zweite Wirkstoff beinhält Antikörper gegen das programmierte Zelltodprotein 1 (aPD-1), das T-Zellen dabei hilft, Krebszellen zu erkennen und anzugreifen. Der Effekt ist, dass TAMs dezimiert und die T-Zellen verstärkt werden. Das Hydrogel enthält die Substanzen als Nanopartikel (NP) und setzt diese lokal und allmählich frei. Dadurch werden systemische Nebenwirkungen begrenzt und die Tumorzellen am Ort des Geschehens in ihrem Wachstum gehemmt. So viel zur Theorie.
Die Forscher führten Versuche an Mausmodellen für Dickdarmkrebs, Melanome und dreifach negativen Brustkrebs durch. Nachdem sie die Tumoren operativ entfernt hatten, wurden verschiedene Behandlungen auf die Tumorhöhlen angewandt. Darunter Kochsalzlösung, NP-P@Gel (Hydrogel mit leeren Nanopartikeln), PLX-aPD-1@Gel (freies PLX und mit aPD-1 beladenes Hydrogel), PLX-NP@Gel (mit PLX-NP beladenes Hydrogel), P-aPD-1@Gel (mit P-aPD-1 beladenes Hydrogel), PLX-NP+P-aPD-1 (freies PLX-NP und P-aPD-1), PLX-NP-P-aPD-1@Gel (mit PLX-NP und P-aPD-1 beladenes Hydrogel). Die ‚freien‘ Substanzen wurden nach der Operation langsam in die Tumorhöhle getropft; das Hydrogel in die Wundhöhle gelegt.
Insgesamt stellten die Wissenschaftler fest, dass Mäuse, die mit PLX-NP@Gel behandelt wurden, bis zu 73,7 % weniger TAMs und 1,5–2,8-mal mehr T-Zellen aufwiesen, als Mäuse, die auf andere Weisen behandelt wurden. Im direkten Vergleich bewirkte die Behandlung mit PLX-NP@Gel eine 1,8- bzw. 2,0-fache Erhöhung der CD8+ T-Zelldichte, verglichen mit den PLX-NP- und PLX-Gruppen. In Melanom-Modellen fanden die Forscher außerdem heraus, dass Mäuse, die mit PLX-NP@Gel behandelt wurden, 2,3- und 1,8-mal weniger TAMs aufwiesen als Mäuse, die nur mit PLX oder PLX-NP behandelt wurden. Den Studienautoren zufolge unterstreichen diese Ergebnisse die Überlegenheit des Hydrogels als lokales Reservoir für die kontrollierte Freisetzung von PLX-NP. Das PLX-NP@Gel erhöhte auch die Überlebensrate von Mäusen mit Krebs. Während die Kontrolltiere bis zu 36 Tage überlebten, überlebte die Gruppe der mit dem Gel behandelten Mäuse 50-70 Tage.
Die Methodik hinter dem lokalen Hydrogel könnte als potenzieller Durchbruch für die postoperative Krebsbehandlung angesehen werden. Dieser Durchbruch muss jedoch noch an Patienten nachgewiesen werden. Es ist nicht klar, inwieweit das Hydrogel-Pflaster auf einem Resektionsbett platziert werden kann, das bei einigen Krebsarten in der Regel vollständig operativ entfernt wird. Trotzdem könnte sich der Ansatz auf viele Krebsarten erstrecken und das Wiederauftreten zahlreicher Tumoren reduzieren.
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