Makrophagen in neuem Licht. Aktuelle Erkenntnisse sehen die Makrophagen-Ursprünge im Dottersack, von wo aus deren Vorläuferzellen verschiedene Gewebe besiedeln und sich dort selbst erneuern. Erst bei krankhaften Prozessen würden Makrophagen aus dem Knochenmark ergänzt.
Die meisten Zellen des Blutes stammen von Stammzellen im Knochenmark ab. Makrophagen bilden eine Ausnahme. Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg haben gemeinsam mit Kollegen vom englischen Kings College herausgefunden, dass die Ursprünge der meisten Makrophagen im Dottersack liegen. Makrophagen erkennen im Gewebe sowohl Erreger als auch gealterte körpereigene Zellen, nehmen diese auf und verdauen sie in ihrem Inneren. Dabei verfügt jedes Gewebe über gewebetypische, „eigene“ Makrophagen: So heißen sie in der Leber Kupffer-Zellen, im Knochen Osteoklasten, in der Lunge Alveolarmakrophagen und im Gehirn Mikroglia. Dass man diese Gewebezellen den Blutzellen zurechnet, hängt damit zusammen, dass sie sich im Labor aus den Monozyten züchten lassen. „Deshalb galt es bisher als gesichert, dass die Makrophagen auch aus Stammzellen im Knochenmark entstehen“, erklärt Hans-Reimer Rodewald vom Deutschen Krebsforschungszentrum. „Unsere neuen Ergebnisse stellen dieses Lehrbuchwissen nun in Frage.“ Während der frühen Embryonalentwicklung entstehen die ersten Blutzellen im Dottersack. Danach übernimmt zunächst die fötale Leber, später das Knochenmark die lebenswichtige Aufgabe, ständig Nachschub an roten und weißen Blutkörperchen zu liefern. „Wir wollten wissen, ob das auch für die Gewebemakrophagen gilt“, erklärt Rodewald, „denn einiges sprach dafür, dass es für diese ungewöhnlichen Zellen auch andere Quellen gibt.“
Die Wissenschaftler um Rodewald markierten daraufhin Vorläuferzellen mit einem fluoreszierenden Protein, um verfolgen zu können, wann während der Entwicklung die Makrophagen entstehen und in welchem Gewebe dies geschieht. Das Anfärben gelang über einen Genschalter, den Karin Busch, Doktorandin in Rodewalds Labor, entwickelt hatte. „Wir haben gesehen, dass die Gewebemakrophagen ganz früh während der Embryonalphase entstehen, und zwar aus Vorläufern im Dottersack“, berichtet Kay Klapproth, einer der beiden Erstautoren der Studie. „Das bedeutet, dass die Makrophagen, im Gegensatz zu unserer bisherigen Vorstellung, ihren Nachschub nicht aus dem Knochenmark erhalten, sondern sich vor Ort, also im Gewebe selbst, unabhängig erneuern.“ „Dies gilt zunächst für Makrophagen in normalem gesundem Gewebe“, sagt Rodewald, „bei größerem Bedarf bei Entzündungen oder Verlust von Makrophagen können offenbar die Monozyten aus dem Knochenmark für Nachschub an Gewebemakrophagen sorgen.“ Ob diese Ersatzmakrophagen die gleichen Aufgaben übernehmen wie die „herkömmlichen“ Makrophagen, ist noch unklar.
Daher interessieren sich die Wissenschaftler nun für die Frage, wie sich die ursprünglichen Makrophagen aus dem Dottersack von den „Notfall-Makrophagen“ aus dem Knochenmark unterscheiden. „Bei bestimmten Krebsarten können Makrophagen wahrscheinlich zum Ausbreiten der Tumorzellen beitragen. In anderen Fällen werden ihnen eher tumorhemmende Funktionen zugeschrieben“, beschreibt Kay Klapproth die interessante Ausgangssituation. Es ist gegenwärtig unklar, ob diese gegensätzlichen Funktionen möglicherweise mit der unterschiedlichen Herkunft der Makrophagen in Verbindung stehen. Für die Krebstherapie wäre es erstrebenswert, die „schädlichen“ Makrophagen zu bekämpfen und die „nützlichen“ gezielt zu aktivieren. Doch bisher kann man die beiden Zellarten noch nicht voneinander unterscheiden. „Es wäre spannend, wenn man mithilfe unserer neuen Erkenntnisse die Makrophagen aufgrund ihrer Herkunft in verschiedene Klassen einteilen könnte“, blickt Hans-Reimer Rodewald in die Zukunft. Originalpublikation: Tissue-resident macrophages originate from yolk-sac-derived erythro-myeloid progenitors Kay Klapproth et al.; Nature, doi: 10.1038/nature13989; 2014