Schwerkranke Parkinson-Patienten profitieren von invasiven Therapien. Ein neues Leitlinien-Update gibt eine Übersicht über die Methoden.
Die Parkinson-Erkrankung ist eine chronisch fortschreitende, neurodegenerative Erkrankung, die durch ihre motorische Symptomatik unbehandelt schnell zu einer stark verminderten Lebensqualität führen kann. Die etablierte medikamentöse Therapie ist sehr hilfreich, hat aber im Verlauf der Erkrankung oft ihre Grenzen. Invasive Therapien werden daher stärker denn je weiterentwickelt und in Studien evaluiert – allen voran die tiefe Hirnstimulation. Ein aktuelles Leitlinien-Update der europäischen Fachgesellschaften EAN und MDS gibt einen umfassenden Überblick.
Bei Morbus Parkinson kommt es durch einen Mangel von Dopamin zu einer gestörten Bewegungskoordination. Es resultieren drei charakteristische Symptome: Zittern (Tremor), Muskelsteifigkeit (Rigor) und motorische Verlangsamung (Bradykinese) bzw. Bewegungsarmut (Hypokinese) bis hin zur Bewegungsstarre (Akinese). Im Erkrankungsverlauf kommt es zum progredienten Untergang dopaminerger Nervenzellen im Gehirn mit zunehmenden motorischen Symptomen wie Gleichgewichtsstörungen, aber auch Schluckstörungen sowie vegetativen Störungen (z.B. Verdauungsstörungen/Obstipation, Blutdruckfehlregulation, Schlafstörungen). Hinzu kommen mentale Beeinträchtigungen, Depressionen oder Demenz.
In Deutschland liegt die Inzidenz des M. Parkinson bei 84/100.000 und die Prävalenz bei ca. 500/100.000. In Deutschland leben mindestens 200.000 Betroffene, meistens Männer mit einem typischen Erkrankungsalter bei 55 bis 60 Jahren. Die Therapie erfolgt in der Regel zunächst medikamentös, d. h. mit Dopamin oral (L-Dopa) oder mit Substanzen, die den Abbau des Dopamins hemmen (COMT-Hemmer und MAO-B-Hemmer). Bei fortschreitender Erkrankung verschlechtert sich oft die Medikamentenwirkung, es treten motorische Fluktuationen auf (Phasen mit guter und schlechter Beweglichkeit, das sogenannte On-Off-Phänomen) sowie „Freezing“ (abrupte Bewegungslosigkeit) oder unkontrollierte Bewegungen (Hyperkinesie, Dyskinesie).
In fortgeschrittenen Stadien können invasive Therapieverfahren die motorischen Symptome und die Lebensqualität deutlich verbessern. Dazu gehört die Technik der tiefen Hirnstimulation (deep brain stimulation, DBS), die heute für geeignete Krankheitssituationen zur Routine gehört. Dabei werden dauerhaft Elektroden in bestimmte Hirnregionen (Subthalamus) implantiert und elektrische Impulse abgegeben, weshalb oft vom „Hirnschrittmacher“ gesprochen wird. Der stellt für viele Patienten eine emotionale Hürde dar, da für das Legen der Sonden kleine Löcher in den Schädelknochen gebohrt werden, dieser also geöffnet werden muss.
Die kontinuierliche Zufuhr von Medikamenten als Pumpentherapien, z.B. die subkutane Gabe von Apomorphin oder die Gabe von Levodopa/Carbidopa (LCIG) in den Dünndarm über einen dauerhaft gelegten Schlauch durch die Bauchdecke wird ebenfalls eingesetzt. Neu ist der MRT-gesteuerter fokussierte Ultraschall (MRgFUS), ein läsionelles Verfahren, das von außen durch die geschlossene Schädeldecke zur Anwendung kommt. Die gezielte Thermokoagulation durch erhitzbare Elektroden in verschiedenen Hirnstrukturen (z. B. Pallidotomie, Thalamotomie) gehört zu den älteren, kaum noch eingesetzten operativen Verfahren.
Die erste europäische Leitlinie für die Behandlung der Parkinson-Erkrankung wurde 2006 veröffentlicht, inzwischen erfolgt durch die European Academy of Neurology (EAN) in Zusammenarbeit mit der internationalen Movement Disorder Society – European Section (MDS) regelmäßig ein Update nach der GRADE-Methodik, bei der sowohl die Wirkungsstärke der Therapien graduiert werden als auch die Zuverlässigkeit, mit der diese Aussagen gelten. Aktuell wurde der erste Teil eines Updates der Behandlungsleitlinien zum Thema invasive Therapien des M. Parkinson publiziert. Die Arbeitsgruppe erstellte unter Federführung von Prof. Günther Deuschl evidenzbasierte Empfehlungen, die sich auf die Evaluierung der Studienlage im Hinblick auf Outcomeparameter wie Linderung motorischer Symptome, Nebenwirkungen und Lebensqualität stützen. Wo keine studienbasierte Evidenz vorhanden war, formulierte die Expertengruppe Konsensempfehlungen.
Invasive Therapien sind bestimmten Patientengruppen mit spezifischen Profilen vorbehalten – meist Betroffenen mit fortgeschrittener Parkinson-Erkrankung. Der Einsatz der Maßnahmen muss für jeden Einzelfall in einem spezialisierten Zentrum eingeschätzt werden. Alle Neurologen und Allgemeinärzte müssen aber die Einsatzgebiete für diese Therapien kennen, da diese bei den richtigen Patienten einen substanziellen Mehrwert gegenüber der rein medikamentösen Behandlung erzielen. Die wichtigsten evidenzbasierten Empfehlungen sind:
„Die Leitlinien geben einen detaillierten Überblick zur Evidenz invasiver Therapien bei unterschiedlichen Betroffenengruppen. Die neue GRADE-Methodik erlaubt eine sehr viel spezifischere Darstellung der Nachteile und Vorzüge dieser Therapien. Sie werden damit transparenter für Neurologen sowie für Allgemeinärzte, damit sie Betroffenen über die Therapien zum frühestmöglichen Zeitpunkt informieren können. Sie entscheiden darüber, ob Patienten zum richtigen Erkrankungszeitpunkt der Weg zu diesen modernen Behandlungsmaßnahmen ermöglicht wird“, kommentiert Prof. Deuschl abschließend. „Wir hoffen, dass dadurch die Verfahren in die Breite getragen werden und so mehr Betroffene von den Vorteilen invasiver Therapieverfahren im Hinblick auf ihre Lebensqualität profitieren werden.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Diego PH, unsplash