Herzkomplikationen gehören zu den Folgen einer SARS-CoV-2-Infektion. Wie genau das Virus das Herz schwächt, haben Bochumer Forscher jetzt untersucht.
SARS-CoV-2 kann schwere Organschäden beim Menschen verursachen. Darüber hinaus greift das Virus auch direkt das Herz an, kann eine Herzmuskelentzündung verursachen und zu Herzversagen führen. Dr. Nazha Hamdani, Leiterin des Forschungsbereichs für Molekulare und Experimentelle Kardiologie am Universitätsklinikum Bochum, hat die Reise des Virus in das Herz nun genau verfolgt.
Sie hat mit ihrer Gruppe herausgefunden, dass SARS-CoV-2 menschliche Herzmuskelzellen infiziert und dass diese Infektion hauptsächlich durch Entzündungen und oxidativen Stress gefördert werden. Diese treten vor allem bei Patienten mit Komorbiditäten wie Fettleibigkeit, Diabetes und Bluthochdruck auf. Darüber berichtet das International Journal of Cardiology.
Um dem neuen Eintrittsmechanismus auf die Spur zu kommen, analysierte das Forschungsteam des Universitätsklinikums Herzgewebestrukturen von an COVID-19 erkrankten und an oder mit der Erkrankung verstorbenen Patienten mittels histochemischer Methoden sowie Mikroskopie. So konnten sie in einem ersten Schritt zeigen, dass sich das Virus tatsächlich und direkt in den Zellen des Herzmuskels nachweisen lässt. „Unsere Beobachtungen zeigen, dass das Virus Druck auf den Herzmuskel ausübt, die Kontraktionskraft, also die Pumpfunktion des Herzens angreift und schwächt“, so Hamdani.
Doch wie dringt das Virus in das Herz ein? Welche Mechanismen fördern das Eindringen des Virus in die Herzmuskelzellen? Das Bochumer Team konnte zeigen, dass ein möglicher Mechanismus der Herzmuskelzellen-Dysfunktion bei Covid-Patienten die Aktivierung bestimmter Enzyme ist, die Proteine abbauen. In der Tat hat das Team eine erhöhte proteolytische Aktivität vorgefunden.
Dies deutet darauf hin, dass SARS-CoV-2 über die Aktivierung des Spike-Proteins durch Enzyme, die für den Abbau von Proteinen verantwortlich sind, in die Zellen gelangt und dass der Eintritt in die Zellen von diesen Abbauenzymen abhängt. Des Weiteren untersuchte Hamdanis Gruppe Proteine, die für die Apoptose zuständig sind. Das Team zeigte, dass die apoptotischen Proteine zwar eine erhöhte Aktivität aufwiesen, ihre Expression jedoch drastisch reduziert war. „Das deutet auf die Spaltung der Proteine und die Aktivierung der Apoptose hin“, so Hamdani. „Die Ergebnisse implizieren, dass die Apoptose zu der bei SARS-CoV-2-Patienten beobachteten Verschlechterung der Kontraktionsfähigkeit des Herzens beiträgt.“
Als Nächstes wollte das Team wissen, was die erhöhte proteolytische Aktivität und Apoptose von Herzmuskelzellen fördert. Die Arbeiten zeigten, dass oxidativer Stress und ein entzündungsförderndes Umfeld die Corona-assoziierten Schäden verschlimmern. In den Fokus gerieten dabei die Neutrophilen, die eine wesentliche Rolle während einer Entzündungsreaktion spielen. Sie werden rasch aus dem Blutkreislauf in das geschädigte Gewebe mobilisiert.
Da bei COVID-19-Patienten vermehrt proteolytische Enzyme freigesetzt werden, untersuchte Hamdanis Team den Signalweg, genauer den Interleukin-6-gesteuerten Neutrophilenverkehr. Die Forscher stellten fest, dass die Entzündungssignalwege in Herzmuskelzellen stark reguliert – Interleukin-6 also stark erhöht – waren, was auf eine Schlüsselrolle dieser weißen Blutkörperchen bei COVID-19 und den damit verbundenen Entzündungspathologien hindeutet.
Zudem konnten die Bochumer Forscher die bereits bestehenden Erkenntnisse stützen, dass das Virus zusätzlich das Protein Neuropilin-1 (NRP-1) als Eintrittspforte in die Zellen nutzt. Damit stehen dem Coronavirus gleich mehrere Mechanismen zur Verfügung, um sich in den menschlichen Organen zu verbreiten. „SARS-CoV-2 ist in der Lage, sich Rezeptor-abhängig, sowie Rezeptor-unabhängig im infizierten Herz zu verbreiten. Wir haben darüber hinaus einen weiteren Mechanismus untersucht, über den das Virus sich Zugang zu den Herzmuskelzellen verschaffen kann, und zu einer endothelialen Dysfunktion beiträgt. Wir werden diese Ergebnisse bald veröffentlichen können“, erklärt Hamdani.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Ruhr-Universität Bochum. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Jed Owen, unsplash