Ein 57-Jähriger wird mit Schmerzen im Knie, Gangstörungen und Fieber in der Notaufnahme vorstellig. Den entscheidenden Hinweis zur Diagnose liefert sein Hund.
Ein 57-jähriger Mann stellt sich mit Schmerzen im linken Knie, Schwierigkeiten beim Gehen und Fieber in der Notaufnahme vor – die Symptome hielten nun schon 3 Tage an, berichtet er. Der Patient gibt an, intravenös Drogen zu konsumieren und ist bereits mit chronischer Hepatitis C und HIV-Infektionen vorbelastet. Die Infektionen wurden schon vor etwa 30 Jahren diagnostiziert. Der Patient weist jedoch eine gute Immunkontrolle auf: Das heißt, er hat keine nachweisbare Viruslast und der CD4 lag bei 879 mm-3. Darüber hinaus trägt der Mann eine bilaterale Hüftprothese und leidet an einer gemischten sensomotorischen Polyneuropathie. Zwar lebt der Patient mit einem Hund zusammen, doch dieser sei sehr friedfertig – der 57-Jährige berichtet weder von Bissen oder Kratzern, nur vom Lecken.
Die Erstuntersuchung ergibt starke Schmerzen, Erytheme und Schwellungen im linken Knie und den Oberschenkeln, ohne äußere Anzeichen einer Zellulitis. Die behandelnden Ärzte führen eine Arthrozentese durch, wobei sich eine inflammatorische Synovialflüssigkeit mit 44.300 Leukozyten mm-3 (80 % Neutrophile) zeigt. Auch die Bluttestwerte sehen ähnlich aus: Sie betragen 12.700 Leukozyten mm-3 mit 80 % Neutrophilen und einem reaktiven C-Protein-Wert von 262 mg/l. Der Befund deutet auf eine Infektionskrankheit, weshalb der Patient zunächst mit intravenösem Ceftriaxon und Cloxacillin behandelt wird – die verabreichte Dosis lag bei 2 g/50 ml alle 24 h bzw. 1 g/50 ml alle 6 h. Trotz der Behandlung lassen die starken Schmerzen nicht nach, weshalb die Ärzte ein CT der unteren Extremitäten durchführen.
CT-Scan der unteren Extremitäten mit intravenösem Kontrast. Credit: Fecilla et al.
Das Bild zeigt Anzeichen einer entzündlichen Arthritis mit Ansammlungen, die sich hauptsächlich zwischen der medialen Wade und dem Soleus im linken Bein erstrecken. Eine tiefe Venenthrombose kann nicht nachgewiesen werden. Trotz Knocheninfarktbefunden in beiden Knien gibt es keinen Hinweis auf eine Osteomyelitis.
Um festzustellen, um welche Infektion es sich tatsächlich handelt, wird die anfänglich erhaltene Synovialflüssigkeit labordiagnostisch untersucht. Das Ergebnis: Capnocytophaga canimorsus Serotyp A.
C. canimorsus ist ein langsam wachsendes, fakultativ anaerobes, gramnegatives Stäbchenbakterium. Es kommt natürlicherweise in der oropharyngealen Flora von gesunden Hunden und Katzen vor. Es kann durch Tierbisse, Kratzen, Lecken oder auch über engen Kontakt zoonotisch auf den Menschen übertragen werden. Dabei scheinen die Serotypen A, B und C virulenter zu sein als Serotyp D–I. Denn obwohl sie bei Hunden selten vorkommen (< 8 %), stellen sie die große Mehrheit der menschlichen Isolate dar.
Es ist bekannt, dass C. canimorsus schwere Infektionen mit einer Letalität von etwa 30 % verursacht. Typischerweise sind diese Infektionen durch eine Sepsis gekennzeichnet, die durch einen septischen Schock oder eine disseminierte intravaskuläre Gerinnung (DIC) kompliziert werden kann. Ebenfalls wurden Meningitis und Endokarditis beschrieben – seltener jedoch osteoartikuläre Infektionen. C. canimorsus ist weitgehend empfindlich gegenüber allen Betalactamen, Clindamycin und Tetracyclin.
Fünf Tage nach der Krankenhausaufnahme erhält der Patient eine chirurgische Reinigung und Drainage der Ansammlungen durch Arthrotomie. Da C. canimorsus als Verantwortlicher für die Sepsis festgestellt wurde, stellen die Behandelnden die Antibiotikatherapie auf intravenöses Piperacillin/Tazobactam (4 g/0,5 g alle 8 h) um.
Doch der klinische Verlauf zeigt sich ungünstig, mit zunehmenden Schmerzen und anhaltendem leichten Fieber über 4 Wochen hinweg. Daher benötigt der 57-Jährige bereits 13 Tage später eine zweite operative Reinigung. Auch ein großes Hämatom wird beobachtet und entleert. Nach einem Monat stellen die behandelnden Ärzte die Antibiotikatherapie auf intravenöses Ceftriaxon (2 g alle 24 h) für 10 Tage um. Schließlich erhält der Patient oral verabreichtes Clindamycin (600 mg alle 8 h) zur Deeskalation. Zwei Monate nach der Aufnahme verbessert sich sein klinischer Zustand, der Mann kann nach neunwöchiger Antibiotikatherapie entlassen werden.
„Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Inzidenz von C. canimorsus-Infektionen aufgrund zuverlässiger neuer Diagnosemethoden, einer anfälligeren Bevölkerung und der zunehmenden Beliebtheit der Haustierhaltung im Laufe der Zeit zunehmen wird“, so das Fazit der Autoren.
Bildquelle: Sebin Lalu, unsplash