Therapien, die auf dem Einsatz der Genschere CRISPR basieren, könnten noch sicherer und wirksamer sein. Ein deutsches Forscherteam hat jetzt einen vielversprechenden Ansatz dafür entdeckt.
Die mit der Genschere CRISPR assoziierte Nuklease Cas13b hat das Potenzial, künftig bei Erbkrankheiten eingesetzt zu werden, um unerwünschte Gene auszuschalten. Im Kampf gegen Infektionen wird sie zudem als antivirales Mittel erforscht, da Cas13b gezielt in das Erbgut von Viren eingreifen und diese unschädlich machen kann.
Trotz dieser vielversprechenden Eigenschaften suchen Forscher nach Nukleasehemmern, die diese Effekte regulieren oder unterbinden können. Der Grund: Sie wollen die Sicherheit und Wirksamkeit künftiger Therapien erhöhen und dazu beitragen, unerwünschte Nebeneffekte zu vermeiden. Ein internationales Team unter Leitung des Würzburger Helmholtz-Instituts hat jetzt erstmals sogenanntes Deep Learning angewandt, um natürliche Nukleasehemmer zu finden. Die im Fachmagazin Molecular Cell veröffentlichte Studie identifiziert ein Protein, das die Aktivität von Cas13b blockt.
Durch komplexes computergestütztes Lernen in Kombination mit einem Hochdurchsatz-Screen wurde ein neues Anti-CRISPR-Protein entdeckt, das Cas13b hemmt. Credit: Chase Beisel
Bakterien enthalten häufig CRISPR-Cas-Abwehrsysteme, die sie vor Phagen schützen. Als Reaktion darauf haben Phagen ihrerseits Proteine entwickelt, die diese bakterielle Genschere inaktivieren können. Forscher vermuten, dass es zahlreiche solcher Anti-CRISPR-Proteine (Acrs) gibt, die noch nicht entdeckt wurden. Einer dieser Wissenschaftler ist Chase Beisel, Leiter der Abteilung für synthetische RNA-Biologie am Helmholtz-Institut in Würzburg. „Acrs können zur besseren Kontrolle von CRISPR-Technologien eingesetzt werden“, sagt Beisel. Doch er räumt zugleich ein: „Sie zu identifizieren heißt, eine Stecknadel im Heuhaufen zu finden, da Acrs einander überhaupt nicht ähneln.“ Dies habe dazu geführt, dass wissenschaftliche Untersuchungen in der Vergangenheit mit neuen Vorhersagemethoden aufwarteten. Der Erfolg dieser Methoden sei jedoch begrenzt, meint Beisel.
Entsprechend hat das Team von Wissenschaftlern den Einsatz künstlicher Intelligenz vorangetrieben, um neue Acrs auszumachen. „Es ist uns mit der Kombination aus komplexem computergestützten Lernen und dem Einsatz eines Hochdurchsatz-Screens gelungen, ein neues Anti-CRISPR-Protein zu entdecken, das die medizinisch relevante Nuklease Cas13b hemmt“, sagt Katharina Wandera. Die Doktorandin im Labor von Chase Beisel forscht an der Charakterisierung von Acrs und ist eine Erstautorin der Studie. „Die Millionen von Vorhersagen, die unser Algorithmus macht, eröffnen der Forschung ganz neue Erkenntnismöglichkeiten“, so Rolf Backofen von der Universität Freiburg. Seine Gruppe hat den DeepAcr genannten Rechenvorgang für die Studie entwickelt.
Dass mit DeepAcr nicht nur neue Nukleaseblocker entdeckt werden können, die CRISPR-Cas-Systeme hemmen, denen bekannte Acrs fehlen, legt die Studie ebenfalls nahe. „Das identifizierte Anti-CRISPR-Protein AcrVIB1 war bis dato nicht nur unbekannt, es scheint auch einen völlig neuen Wirkmechanismus zu haben“, resümiert Omer Alkhnbashi, Assistenzprofessor an der King Fahd Universität und ebenfalls Erstautor. Diesen Wirkmechanismus zu beschreiben, ist einer der nächsten Schritte, die sich nun an die wissenschaftliche Arbeit anschließen sollen.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Tessa Wilson, Unsplash