Die Behandlung der akuten myeloischen Leukämie ist stark belastend für die betroffenen Patienten. Eine aktuelle Studie legt eine besser verträgliche Alternative zur Standard-Chemotherapie nahe.
Die akute myeloische Leukämie (AML) ist bei Erwachsenen die häufigste akute Blutkrebsform. Besonders oft betroffen sind Menschen über 60 Jahre. Bislang erhalten die Patienten eine intensive Chemotherapie und im Anschluss eine Stammzellspende. Doch weil eine Chemotherapie gerade für ältere Patienten oft belastend ist, ist eine nachfolgende allogene Blutstammzell-Transplantation häufig gar nicht mehr möglich. Diese erzielt aber bei diesen Patienten – trotz neuer Forschungsansätze in den vergangenen Jahren zur Erweiterung der intensiven Chemotherapie um neuartige Hemmstoffe –, immer noch die höchsten Heilungsraten.
Nur ein kleiner Teil der AML-Patienten, die über 60 Jahre alt sind, überlebt die Diagnose mehr als fünf Jahre: Entweder, weil die alleinige Standard-Chemotherapie nicht zur Heilung führt, oder weil sie wegen des schlechten Gesundheitszustands der Patienten gar nicht erst angewendet werden kann. Bei der Akut Myeloischen Leukämie (AML) vermehren sich Myeloblasten (dunkel eingefärbt) übermäßig und verdrängen andere Blutzell-Typen. Durch die neuartige Therapie wird diese Zell-Vermehrung gestoppt. Credit: Universitätsklinikum Freiburg
Ärzte des Universitätsklinikums Freiburg konnten nun mit internationalen Partnern belegen, dass gerade ältere AML-Patienten von einer intensitätsreduzierten, sogenannten „epigenetischen“ Therapie profitieren. Die Patienten hatten deutlich weniger Nebenwirkungen als bei einer konventionellen Chemotherapie, obwohl die Behandlung ebenso wirksam ist. Die Studie wurde am 11. Juni 2022 auf dem Kongress der Europäischen Gesellschaft für Hämatologie (EHA) in Wien vorgestellt.
„Für viele ältere AML-Patienten ist eine intensive Chemotherapie gesundheitlich eher eine Belastung als eine langfristige Hilfe. Mit unserer Studie zeigen wir, dass es eine schonendere Alternative gibt“, erklärt Studienleiter Prof. Michael Lübbert, Oberarzt an der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Freiburg, die Notwendigkeit einer weniger aggressiven Therapieform.Krebszellen im Detail: Myeloblasten zeichnen sich durch ihren sehr großen, rund-ovalen Zellkern aus. Transparent: rote Blutkörperchen. Credit: Universitätsklinikum Freiburg
Insgesamt wurden 606 Patienten an 54 Standorten in acht Ländern Europas behandelt. In der Studie kam der epigenetisch aktive Wirkstoff Decitabin zum Einsatz. Dieser zerstört im Gegensatz zu Medikamenten der herkömmlichen Chemotherapie die Krebszellen nicht sofort, sondern beeinflusst primär, welche Gene in den Krebszellen abgelesen werden und verhindert so ihre krankhafte Vermehrung. „Unter der besser verträglichen Therapie können die Patienten oft ihr ganz normales Leben führen, ohne belastende stationäre Krankenhausaufenthalte. Das ist für uns, neben der Heilung, ein ganz wichtiges Ziel“, so Lübbert.
In der klinischen Studie wurden die Patienten zu Beginn entweder zehn Tage lang mit Decitabin oder mit der Standard-Chemotherapie behandelt. Im Anschluss wurde eine Stammzelltransplantation durchgeführt. War dies nicht möglich, erhielten die Patienten entweder weiterhin Decitabin oder bis zu drei weitere Chemotherapie-Kurse. „Wir konnten mit dieser Studie eine Therapie-Sequenz etablieren, die aufgrund ihrer besseren Verträglichkeit der klassischen intensiven Chemotherapie bei älteren AML-Patienten überlegen sein könnte“, sagt Lübbert. In Bezug auf die Überlebensrate nach vier Jahren unterschieden sich Chemotherapie und Decitabin nicht grundlegend (30 Prozent, 26 Prozent). Schwere Nebenwirkungen traten bei Decitabin jedoch deutlich seltener auf (3,6 Prozent) als bei Chemotherapie (6,4 Prozent).
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums Freiburg.
Bildquelle: Constantinos Kollias, unsplash