Mütter mit erschwerter Zeugungsfähigkeit in ihrer Vorgeschichte haben ein erhöhtes Risiko, nach der Geburt psychisch zu erkranken. Wenn mit dem Kind die Verzweiflung kommt.
Kurz nach der Geburt erleben etwa 70 % der frischgebackenen Mütter ein kurzes Stimmungstief. Meist normalisiert sich das Ganze nach wenigen Tagen von selbst wieder. Halten Gefühle von Verzweiflung, Angst und Hoffnungslosigkeit jedoch sechs bis zwölf Wochen nach der Geburt noch an, spricht man von einer postpartalen Depression. Wenn der Weg zum erfüllten Kinderwunsch auch noch steinig und lang war, potenziert sich die psychische Belastung. Dabei beschreibt der Begriff Subfertilität eine eingeschränkte Zeugungs- bzw. Empfängnisfähigkeit und wurde laut einer neuen Studie der McGill University Health Center in Kanada mit einem geringfügig höheren Risiko für postpartale psychische Erkrankungen in Verbindung gebracht.
Die im Canadian Medical Association Journal veröffentlichte Studie machte von einer extensiven Geburtsdatenbank (Better Outcomes Registry and Network „BORN”) Gebrauch. Es wurden knapp 589.598 Frauen ohne vorbestehende psychische Erkrankungen untersucht, die zwischen dem 1. April 2006 und dem 31. März 2014 eine Lebend- oder Totgeburt in der 20. oder höheren Schwangerschaftswoche hatten. Dabei identifizierten die Forscher 786.064 Entbindungen, wovon 688.970 nach spontaner Empfängnis (Referenzgruppe), und 78.823 Entbindungen bei Müttern mit Subfertilität, aber ohne Behandlung stattgefunden hatten. Darüber hinaus gab es 9.178 Entbindungen von Müttern, mit nicht-invasiver Fruchtbarkeitsbehandlung (Ovulationsinduktion oder intrauterine Insemination), und 9.633 Entbindungen von Müttern, die eine invasive Behandlung (IVF oder ICSI) erhalten hatten. Jede Frau wurde ab der Entlassung aus dem Krankenhaus nach der Entbindung ein Jahr lang beobachtet.
Das primäre Ergebnis der Studie war die Diagnose einer postpartal aufgetretenen psychischen Erkrankung. Darunter wurden Stimmungs- oder Angststörungen, psychotische Störungen, Substanzkonsumstörung, selbstverletzendes Verhalten und Ess- sowie Zwangsstörungen gezählt. Die Forscher identifizierten dieses Ereignis auf Grundlage eines Besuches in der Notaufnahme oder einer Krankenhauseinweisung.
Die Ergebnisse des kanadischen Forschungsteams stimmen mit bestehenden Schätzungen der Rate psychischer Erkrankungen nach der Geburt von etwa 6–16 % überein. In der umfangreichen Kohortenstudie traten nach 60,8 pro 1.000 Geburten bei Frauen, die spontan schwanger wurden, psychische Erkrankungen auf. Bei Müttern mit unbehandelter Subfertilität und solche mit nicht-invasiver Behandlung zeigte sich eine erhöhte Inzidenz (62,1 pro 1.000 Geburten; bereinigtes RR: 1,14 bzw. 65,8 pro 1.000 Geburten; bereinigtes RR: 1,12). Bei den meisten Diagnosen handelte es sich um Stimmungs- oder Angststörungen, die im ambulanten Bereich im Median 5,2 Monate nach der Krankenhausentlassung festgestellt wurden.
Nach Berücksichtigung von Faktoren – wie Alter, Einkommen, Einwandererstatus, Leben in einer ländlichen Gegend, frühere Geburten und Gesundheitszustände wie Bluthochdruck, Fettleibigkeit und Diabetes – variierte das Ausmaß des erhöhten Risikos je nachdem, ob die Frauen eine Behandlung in Anspruch genommen hatten und ob die Behandlung invasiv war. Mütter, die eine invasive Fruchtbarkeitsbehandlung hatten, wiesen nämlich eine niedrigere Inzidenz (60,4 pro 1.000 Geburten), aber ein höheres bereinigtes RR (1,14) für psychische Erkrankungen auf als Mütter, die spontan schwanger wurden.
Bisher wurde bei der IVF, die typischerweise durch wiederholte Runden hochdosierter Stimulation der Eierstöcke und starke Hormonschwankungen gekennzeichnet ist, postuliert, dass sie zu vermehrten peripartalen Stimmungsstörungen beiträgt. Die kanadischen Autoren betonen, dass die Stichprobengröße ihrer Studie in diesem Zusammenhang einzigartig ist. Auffällig sei bei ihren Ergebnissen, dass Mütter nach IVF niedrigere Inzidenzen, aber gleichzeitig ein höheres bereinigtes Risiko für psychische Erkrankungen aufwiesen. Dies weist auf das Vorhandensein eines sogenannten „umgekehrten Störfaktors” hin. Der Störfaktor ist in diesem Fall, dass Mütter, die sich einer IVF unterzogen, sozial bessergestellt waren und in einkommensstarken Gegenden wohnten, so dass sie sich die Kosten für die IVF-Therapie leisten konnten.
Die In-vitro-Fertilisation erfordert eine engmaschigere medizinische Nachsorge und in einigen Fällen ein intensiveres Screening auf die Bereitschaft für eine Schwangerschaft, einschließlich der körperlichen und geistigen Gesundheit. Nach Bereinigung um das mütterliche Alter und die sozialen Gesundheitsfaktoren könnte es daher bei IVF-Patientinnen eine grundsätzliche Veranlagung für eine ungünstige psychische Gesundheit nach der Geburt geben. Eine alternative Erklärung ist, dass diese sozial begünstigten Personen, die Zugang zu IVF haben, auch leichteren Zugang zu psychischen Gesundheitsdiensten im ambulanten Bereich haben.
Die Studie weist eine Reihe von Stärken auf, wie etwa die große Stichprobengröße, die aus einer multiethnischen Population im Rahmen der Gesundheitsversorgung auf Provinzebene gewonnen wurde. Eine Vorgeschichte erschwerter Zeugungsfähigkeit wurde bisher nicht in solchem Maße mit dem Risiko postpartaler, psychischer Erkrankungen in Verbindung gebracht.
Frauen, die nach einer Fruchtbarkeitsbehandlung ein Kind bekommen haben, sollten sich jedoch nicht beunruhigen lassen. Die Forschungsgruppe betont, dass ihre „Analysen darauf hinweisen, dass geburtshilfliche Faktoren, insbesondere eine Frühgeburt, wichtige Determinanten für psychische Erkrankungen nach der Geburt sind. Wahrscheinlich mehr als die Tatsache, ob eine Person eine Fruchtbarkeitsbehandlung erhalten hat oder nicht.” Eine Einschränkung der Studie war das Fehlen von Informationen über die Ursache der Unfruchtbarkeit.
„Die Studie unterstreicht trotz geringer Korrelation, wie wichtig es ist, die psychische Gesundheit von Frauen während der gesamten Fortpflanzungszeit zu überwachen, auch während einer Fruchtbarkeitsbehandlung”, so Erstautorin Dr. Natalie Dayan des Department of Medicine and of Obstetrics and Gynaecology der McGill University. „Einige Personen, z. B. solche mit schwierigen sozialen Verhältnissen oder Subfertilität, könnten von einer verstärkten Überwachung oder präventiven Strategien profitieren. Beruhigend ist, dass schwere psychische Erkrankungen, die einen Besuch in der Notaufnahme oder einen Krankenhausaufenthalt erforderlich machten, sehr selten auftraten.”
Aktuell schaffte es eine ähnliche Studie der University of Oxford zu dem Thema ins Rampenlicht, die sich auf postpartale Depressionen und Angstzustände in der Primärversorgung beschränkte. Von 235.127 Müttern wiesen 31.947 (13,6 %) Anzeichen einer postpartalen Depression und/oder Angstzustände auf. Hierin hatten Mütter, die sich einer Fruchtbarkeitsbehandlung unterzogen hatten, eine um 22 % geringere Wahrscheinlichkeit für eine postpartale Depression und/oder Angstzustände im Vergleich zu Müttern in der fruchtbaren Gruppe. Zwar verringerte sich die Stärke des Zusammenhangs nach Berücksichtigung soziodemografischer und schwangerschaftsbezogener Faktoren, es konnte aber kein höheres bereinigtes Risiko für psychische Erkrankungen bei behandelten Müttern, wie in der kanadischen Studie, beobachtet werden. Es ist unklar, ob die Unterschiede auf der Erfassung psychischer Probleme oder anderer Merkmale wie sozialer Unterstützung basieren.
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