Bei Frauen ist Gebärmutterhalskrebs weltweit die zweithäufigste Krebstodesursache. Hierzulande kommt es jedes Jahr zu 1.500 Todesfällen. Viele Studien belegen, dass der HPV-Impfstoff sicher und gut verträglich ist. Doch die Impfquote ist weiterhin viel zu niedrig. Warum?
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die HPV-Impfung derzeit für Mädchen zwischen 9 und 14 Jahren. Mädchen, die bis zum 18. Lebensjahr noch nicht geimpft wurden, können die Impfung aber nachholen, so die STIKO. Doch wie erfolgreich wird die Empfehlung der STIKO umgesetzt? Laut einer 2014 veröffentlichten Befragung des Robert-Koch-Instituts (RKI) sind in der Gruppe der 14- bis 17-jährigen Mädchen nur 39,5 % vollständig gegen HPV geimpft, d.h. sie haben mindestens drei Impfdosen erhalten. Weitere 13,1 % haben weniger als drei Dosen erhalten oder keine Angabe zur Anzahl der Dosen gemacht. „Das sind zu wenige“, räumt Dr. Yvonne Deleré von der Abteilung für Infektionsepidemiologie am RKI ein. „Wenn man die Anzahl an Fällen von Gebärmutterhalskrebs und seinen Vorstufen in der Bevölkerung senken möchte, wäre eine Impfquote von wahrscheinlich 80 Prozent notwendig.“
Während Deutschland von dieser Quote noch deutlich entfernt ist, sind andere Länder schon wesentlich weiter. In Australien und Teilen Kanadas liegt die Impfquote bei etwa 70 %, in England sogar bei 87 %. Allen drei Ländern ist gemeinsam, dass dort ein Schulimpfungsprogamm existiert. In Deutschland spielen dagegen die niedergelassenen Ärzte eine Schlüsselrolle bei der Durchsetzung der Impfempfehlungen. Aus diesem Grund sollte jeder Patiententermin dazu genutzt werden, den Impfstatus zu überprüfen und zu vervollständigen. Doch auch ohne Schulimpfungen können hohe Impfquoten erreicht werden, wie das Beispiel Dänemark zeigt. Eine vor der Einführung der Impfung durchgeführte Kampagne zur Entscheidungsfindung, begleitet von ausführlichen Informationen für Gesundheitsfachpersonal, Eltern und Kinder, sowie einer Kopplung der öffentlich finanzierten Impfung an einen bestehenden Routine-Impftermin führte hier zu einer Impfquote von 79 %. Und auch Portugal schafft es ohne Schulimpfung auf eine Impfquote von 81 %.
Es gibt viele Faktoren, die die Entscheidung für oder gegen eine HPV-Impfung beeinflussen. Ein Grund könnte mangelndes Wissen sein, doch eine im Oktober 2014 veröffentlichte Studie zeigt, dass weder das Wissen der Eltern noch das Wissen der Kinder einen Einfluss darauf hat, ob das Kind später gegen HPV geimpft wird. Mehr Wissen geht also anscheinend nicht automatisch mit einer höheren Impfquote einher. Doch welche anderen Gründe kann es für die mangelnde Akzeptanz der HPV-Impfung geben? Ein Blick auf die Fragen, die Patienten und Eltern ihrem Arzt bei der Impfberatung stellen, fördert Erstaunliches zutage: Neben der Sicherheit und den möglichen Nebenwirkungen der Impfstoffe interessiert Eltern offensichtlich auch die Frage, ob die Impfung Mädchen ein falsches Gefühl von Sicherheit gibt und sie zu risikoreicherem Sexualverhalten verführt, beispielsweise zum Verzicht auf Kondome oder zu gesteigerter Promiskuität.
Um zu klären, ob es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen HPV-Impfung und Sexualverhalten gibt, werteten Forscher nun die Daten von mehr als 260.000 jungen Mädchen aus Ontario, Kanada, aus. Die Mädchen waren im Durchschnitt zu Beginn der Studie 13,2 Jahre alt und wurden über einen Zeitraum von 4,5 Jahren beobachtet. Etwa die Hälfte (128.712) erfüllte die Bedingungen für eine kostenlose HPV-Schulimpfung, die andere Hälfte (131.781) erfüllte die Bedingungen nicht. In der ersten Gruppe erhielten zwar nur 51 % der Mädchen alle drei Dosen der HPV-Impfung, in der zweiten Gruppe waren es jedoch weniger als 1 %. Dies ermöglichte eine klare Trennung der zwei Gruppen. Im Beobachtungszeitraum kam es in der Kohorte zu 10,187 Schwangerschaften und 6.259 Infektionen mit STDs (sexually transmitted dieseases) – das Risiko für eine Schwangerschaft oder eine STD-Infektion war dabei für beide Gruppen nicht signifikant unterschiedlich. Die Studie lässt daher den Schluss zu, dass die HPV-Impfung keinen Einfluss auf das Sexualverhalten junger Mädchen hat. Die Sorge, dass eine HPV-Impfung zu erhöhter Promiskuität führt, ist also unberechtigt. Doch die HPV-Impfung soll nicht nur das Sexualverhalten beeinflussen. Impfgegner behaupten auch immer wieder, dass die Impfung eine Vielzahl von Krankheiten fördere, von Autoimmunerkrankungen über Autismus bis zur Alzheimer-Demenz. Belastbare Daten für diese Behauptungen gibt es zwar keine, dafür erscheinen regelmäßig neue Studien zur Unbedenklichkeit der Impfung. Ein Beispiel: Eine im Januar 2015 veröffentlichte Kohorten-Studie an knapp 4 Millionen Mädchen und Frauen aus Dänemark und Schweden bestätigt nun, dass eine HPV-Impfung nicht mit dem Auftreten demyelinisierender Krankheiten wie Multipler Sklerose, Optikusneuritis, Neuromyelitis optica und Querschnittmyelitis korreliert.
99 % aller Zervixkarzinome sind durch onkogene HPV-Typen verursacht, die meisten davon (70 %) durch die Hochrisiko-Typen 16 und 18. Um eine HPV-Infektion zu verhindern, gibt es zurzeit zwei Impfstoffe auf dem deutschen Markt: Gardasil und Cervarix. Beide schützen vor den HPV-Typen 16 und 18, Gardasil beugt zusätzlich Erkrankungen durch die HPV-Typen 6 und 11 vor, die 90 % aller Genitalwarzen verursachen. Die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat nun im Dezember 2014 dem neuen Impfstoff Gardasil 9 die Zulassung erteilt. Er schützt zusätzlich vor fünf weiteren HPV-Typen, welche zusammen 20 % der Zervixkarzinome verursachen. Der Impfstoff ist genau so wirksam wie Gardasil, und schützt zusätzlich effektiv vor Zervix-, Vulva- und Vaginalkrebs, der durch die HPV-Typen 31, 33, 45, 52 und 58 verursacht wird. Die am häufigsten gemeldeten Nebenwirkungen waren Schmerzen, Schwellung und Rötung an der Injektionsstelle sowie Kopfschmerzen. Ein kontroverses Thema ist die HPV-Impfung bei Jungen und Männern. Humane Papillomviren verursachen nämlich nicht nur Gebärmutterhalskrebs, sie spielen auch eine Rolle bei der Entwicklung von Anogenitalwarzen, Oropharynxkarzinomen und Peniskarzinomen. Mehr als die Hälfte der Oropharynxkarzinome in den USA sind mit einer HPV-Infektion assoziiert, und Schätzungen zufolge könnten humane Papillomviren 2020 mehr Oropharynxkarzinome als Zervixkarzinome verursachen. „Selbstverständlich sollten auch Jungen und junge Männer geimpft werden“, betont Prof. Matthias W. Beckmann, Direktor der Frauenklinik am UKM Erlangen. Der HPV-Impfstoff Gardasil ist in Deutschland auch für Jungen und Männer zugelassen – trotzdem rät die STIKO bisher nur Mädchen zur Impfung.
Die HPV-Impfung ersetzt natürlich keineswegs die Krebsvorsorge, auch wenn manche Patientinnen das so zu sehen scheinen. Und auch hier tut sich etwas: In Deutschland ist der zytologiebasierte PAP-Test bisher das Maß aller Dinge bei der Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs. Doch einer im Sommer 2014 veröffentlichten Einschätzung des IQWiG zufolge könnte der HPV-Test Vorteile gegenüber dem PAP-Test bieten. Es gibt Hinweise darauf, dass mit dem HPV-Test Vorstufen des Zervixkarzinoms früher erkannt und behandelt werden können. Allerdings gibt es bisher noch zu wenige Studien, um abschließend zu beurteilen, ob der HPV-Test den PAP-Test als Instrument des Primärscreenings ergänzen oder ihn gar ersetzen sollte. Aus diesem Grund bleibt der HPV-Test in Deutschland weiterhin eine IGe-Leistung. Die amerikanische FDA hat dagegen im Frühjahr 2014 die Zulassung für den HPV-Test erweitert: Bereits seit 2011 als Ko-Instrument zum PAP-Test zugelassen, darf der HPV-Test dort nun zusätzlich auch als alleiniger Screening-Test eingesetzt werden.