Nach Neuordnung der Corona-Testverordnung herrscht Empörung in der Ärzteschaft. In einem Brandbrief erklären KBV und KVen ihre Weigerung. Auch der heute vorgestellte Bericht zur Auswertung der Corona-Maßnahmen fällt kritisch aus.
Pünktlich zu Ferienbeginn und Reisezeit in vielen Bundesländern brodelt es in der Corona-Politik-Küche gehörig. Schuld sind jedoch weniger die konstant steigenden Inzidenzen und die weitere Ausbreitung der Subvarianten Omikron BA.4 und BA.5 in einer bisher noch nicht dagewesenen Sommerwelle. Viel eher sind es die heute vorgestellten Ergebnisse der Expertenkommission zum Nutzen der bisherigen Pandemie-Maßnahmen sowie die neue Testverordnung, die Ärzte und Kassen an den Rand des Wahnsinns treiben.
Zunächst einmal etwas Wasser auf die Mühlen der Maskenhasser: Auch die Expertenkommission kommt in ihrem heute vorgelegten Bericht zum Ergebnis, dass „eine generelle Empfehlung zum Tragen von FFP2-Masken aus den bisherigen Daten nicht ableitbar [ist]“. Sie geht sogar noch einen Schritt weiter und konstatiert: „Eine schlechtsitzende Maske hat auch keinen, ggf. sogar einen negativen Effekt“ und beziehen sich dabei auf eine suggerierte „Scheinsicherheit“.
Und nun wieder zurück auf den Boden der Tatsachen, Aluhut abgesetzt: Weiter heißt es, „das Tragen von Masken“ könne „ein wirksames Instrument in der Pandemiebekämpfung sein“, wenn sie denn korrekt getragen würden.
Aber auch Lockdowns und Geschäftsschließungen wurden von den Experten kritisch beurteilt. So seien erstere zwar nützlich – jedoch eher mit einem Kurzzeiteffekt verbunden. Dauert der Lockdown zu lange, seien negative Auswirkungen, wie die Verschiebung von Arztterminen, höher anzurechnen. Positiv bewertet wurden Maßnahmen, die Personenzahlen begrenzen. Diese sollten sich jedoch laut Bundesgremium weniger an den Geimpften- und Genesenenstatus orientieren, als vielmehr an aktuellen Testergebnissen.
Wie abgesprochen kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass aber der Nutzen eben dieser Selbst- und Bürgertests noch nachgewiesen werden müsse. Eine noch klarere Formulierung fand KBV-Chef Dr. Andreas Gassen: „Diese unsinnigen Tests müssen abgeschafft werden. Sie sind viel zu teuer, der bürokratische Aufwand ist riesig und die epidemiologische Aussagekraft ist null. Es sei „eine völlig sinnfreie Veranstaltung, anlasslos gesunde Menschen mit fragwürdiger Qualität zu testen“.
Hintergrund für den Aufstand, der auch von den Kassenärztlichen Vereinigungen mitgetragen wird, ist die neue Lauterbachsche Testverordnung (TestV). Zentraler Punkt darin: Kostenlose Tests gibt es nur noch für Risikogruppen und in anderen Ausnahmefällen. Wer nun aber auf ein Konzert geht, eine Familienfeier besucht oder sich mit älteren Menschen trifft, muss dafür 3 Euro zahlen.
Und wer trägt den enormen bürokratischen Verwaltungsaufwand und soll in Einzel- und Ausnahmefällen prüfen? Richtig, die Ärzteschaft vor Ort. Nicht, dass der Bogen hier bereits überspannt wäre, auch die darauffolgende Abrechnung und Auszahlung bleibt für die Kassen ein Vabanque-Spiel – können sie doch niemals in Gänze prüfen, ob die im Zweifelsfall vorgenommenen Tests ihre Richtigkeit haben.
So hat die Antwort nicht lange auf sich warten lassen. Die Praxen seien keine Kontrollbehörde und leiden jetzt schon unter der massiven Bürokratie, so der KBV. „Wie soll am Empfangstresen geprüft werden, ob jemand beispielsweise einen Besuch bei einem Vorerkrankten plant und sich deshalb testen lassen will?“, sagte Vize-KBV-Chef Dr. Stephan Hofmeister.
Gemeinsam formulierten KVen und KBV zudem einen Brandbrief an den Minister, der erklärt, weshalb sie sich weigern, diese Praxis mitzutragen: „Nach sehr sorgfältiger Prüfung der neuen TestV müssen wir Ihnen vor dem Hintergrund der schon jetzt bestehenden, eklatanten Betrugsproblematik mitteilen, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen Bürgertestungen zukünftig nicht mehr abrechnen und auszahlen können.“
„Vor diesem Hintergrund, [dass man sehenden Auges Auszahlungen auf Abrechnungen leisten müsse, deren Richtigkeit man nicht ansatzweise prüfen könne] und aufgrund der neuen, kleinteiligen Anspruchsvoraussetzungen und des damit vorhersehbaren Anstiegs von nicht überprüfbaren Falschabrechnungen sehen sich die Kassenärztlichen Vereinigungen außer Stande, ab dem 30. Juni 2022 erbrachte Bürgertestungen nach § 4a TestV abzurechnen und die Vergütung auszuzahlen.“
Was also vorerst bleibt, ist, was nach den letzten Maßnahmen dieser Tage so oft bleibt: Groll und das Bedürfnis nach, ja die Notwendigkeit einer Nachverhandlung.
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