Wann kommt ein Omikron-spezifischer Booster-Impfstoff und wie sieht er genau aus? Ein FDA-Gremium hat jetzt eine überraschende Tendenz erkennen lassen.
Bei der US-Zulassungsbehörde FDA saß am Dienstag viele Stunden lang das Vaccines and Related Biological Products Advisory Committee zusammen – kurz VRBAC. Es gilt als wichtigstes beratendes Gremium der FDA mit Blick auf Zulassungen von Impfstoffen. Im Fokus stand einmal mehr Corona, genauer die Frage: Soll der Impfstoff, der im Rahmen einer Booster-Kampagne ab Herbst ausgerollt werden wird, Omikron-spezifisch sein bzw. Omikron-spezifische Komponenten enthalten? Und wenn ja, Komponenten von welcher Omikron-Variante genau?
Diese Frage ist tatsächlich noch offen. Mittlerweile gibt es sowohl von Moderna als auch von Pfizer klinische Daten zu Covid-mRNA-Impfstoffen, die entweder monovalent gegen Omikron wirken oder die als bivalente Impfstoffe zumindest eine Omikron-Komponente enthalten. Genutzt worden war dafür bisher allerdings Omikron BA.1. Also jene Omikron-Variante, die Ende 2021 durch Südafrika und Anfang 2022 dann in größerem Umfang durch Europa – inklusive Deutschland – rockte.
Nach BA.1 kam BA.2 mit einer in Deutschland etwas kleineren Welle, und mittlerweile sind wir – alle wissen es – mitten in der BA.4/5 Welle. BA.4/5-spezifische Impfstoffe sind bei den Herstellern längst vorhanden und werden derzeit in Tierversuchen erprobt. Wenn der Impfstoff im Oktober ausgerollt werden soll, dann wird es für große, klinische Phase-II/III-Studien mit einem BA.4/5 spezifischen Impfstoff aber nicht reichen. Die Frage, die sich jetzt den Zulassungsbehörden stellt, lautet daher: Sollen sie Omikron-spezifische – einzelne oder kombinierte – Impfstoffe auf Basis der verfügbaren klinischen Daten und damit mit BA-1 Komponente zulassen? Oder wäre ein BA.4/5-spezifischer Impfstoff den schon getesteten BA.1-Impfstoffen in Sachen Sicherheit ähnlich genug, um ihn auf Basis von weit weniger Daten zuzulassen? Also beispielsweise nur auf Basis von Tierversuchsdaten oder einer Kombination aus Tierversuchsdaten und humanen Daten aus dann kleineren, frühklinischen Studien – eventuell im engeren Sinne ohne klinische Endpunkte.
Für Letzteres sprächen neue Daten, die bei dem VRBAC Meeting unter anderem von Pfizer präsentiert wurden. Dabei geht es zum einen um die Neutralisationstiter gegenüber BA.4/5 bei Einsatz des BA.1-Impfstoffs. Die sind – erwartungsgemäß, denn es handelt sich um Immune-Escape-Varianten – deutlich niedriger als gegenüber BA.1. Den Pfizer-Daten nach sind die Titer im Vergleich zu BA.1 ungefähr um das drei- bis sechsfache reduziert. Das ähnelt Daten, die Moderna für seinen bivalenten Impfstoffkandidaten für den Herbst mRNA-1273.214 schon vor einer Woche vorgelegt hatte.
Pfizer stellte bei dem Meeting jetzt aber auch Tiermodelldaten zu seinen bereits existierenden BA.4/5-spezifischen Impfstoffen vor. Und da sind die Titer deutlich höher: Im Vergleich zum BA.1-spezifischen Impfstoff um den Faktor 5 bis 11. Die entsprechenden Slides sind bei StatNews einsehbar, die das VRBAC-Meeting mitgebloggt haben.
Kurz und knapp: Es gibt deutliche Hinweise, dass der an BA.4/5 ausgerichtete, Omikron-spezifische Impfstoff hinsichtlich der Neutralisationstiter – nicht zu vergessen ein Surrogatparameter – besser wirksam sein könnte als der an BA.1 ausgerichtete. Zumindest sofern die erwartete Herbstwelle eine BA.4/5-Welle wird oder eine Welle durch eine bisher noch unbekannte, neue Variante, die näher an BA.4/5 ist als an BA.1. Was also den Zulassungsbehörden empfehlen?
Das VRBAC Gremium musste sich in diesem Punkt nicht festlegen. Eine klare Empfehlung – mit zwei Gegenstimmen – gab es für einen nicht näher definierten, aber in jedem Fall Omikron-spezifischen Impfstoff. Also für einen Wechsel weg vom bisherigen Impfstoff. Hier würde sich dann die Frage stellen, ob es ein monovalenter Omikron-Impfstoff sein sollte oder ein bivalenter, der auch noch Komponenten älterer Varianten enthält.
In der intensiven Diskussion während des Meetings zeigte sich, dass es zusätzlich zu dieser klaren Empfehlung unter den Experten eine Präferenz für einen Wechsel von einer BA.1- auf eine BA.4/5-Komponente gibt. Auch wenn das bedeutet, auf eine große klinische Studie vor Zulassung bzw. Inverkehrbringen zu verzichten. Mit anderen Worten: Man hält die klinischen Daten, die bisher zu Omikron-Impfstoffen bzw. allgemein Corona-Impfstoffen und insbesondere zu deren Sicherheit existieren, für solide genug und auf andere Omikron-Subvarianten übertragbar. Das heißt, man würde gerne die höhere Neutralisations-Performance des BA.4/5-Impfstoffs „mitnehmen“.
An den Herstellern würde dieses Szenario jedenfalls nicht scheitern: Zumindest Pfizer-Vertreter betonten, dass sie bereits alle Vorbereitungen zur Produktion eines BA.4/5-Impfstoffs in großem Maßstab treffen würden und den im Oktober dann auch liefern könnten. Sofern die Zulassungsbehörden signalisieren, dass das dann auch zugelassen und empfohlen werde. Moderna hat sich diesbezüglich noch nicht abschließend geäußert. Allerdings haben Vertreter des Unternehmens zuletzt wiederholt eine Präferenz für den klinisch erprobten, BA.1-basierten Impfstoffkandidaten kommuniziert.
Bildquelle: Jeremy Bezanger, unsplash