Subjektive Gedächtnisstörungen können ein Warnsignal für Alzheimer sein, sind jedoch schwer messbar. Demenzforscher haben nun weitere Faktoren zusammengestellt, die in Verbindung mit dem Gefühl ein klares Risikoprofil ergeben.
Wenn das Gedächtnis oder andere geistige Fähigkeiten nach eigenem Gefühl nachlassen, objektive Testverfahren jedoch keine Minderung feststellen, spricht man von Subjective Cognitive Decline (SCD). Betroffene befürchten häufig, an Alzheimer zu erkranken. Das Phänomen der subjektiven Beeinträchtigung wird seit einigen Jahren erforscht, dennoch ist es mit den heutigen Verfahren nicht messbar.
Eine umfangreiche Langzeitstudie, die die kognitive Leistungsfähigkeit, sowie Gehirnwasser und -volumen von fast 1.000 Probanden jährlich erfasst, zeigte nun, dass SCD ein Risikofaktor, allerdings kein eindeutiges Warnsignal für eine spätere Demenz ist. „Bei vielen Menschen mit SCD kommt es zu keinem fortschreitenden Verlust der kognitiven Leistung. Um das individuelle Risiko genauer bewerten zu können, sind weitere Faktoren zu berücksichtigen“, sagt Demenzforscher Prof. Frank Jessen. Er und sein Team versuchten nun anhand der Studiendaten ein präziseres Risikoprofil zu erstellen.
Während des Studienzeitraums entwickelten einige Probanden, die SCD-Symtome angaben, messbare kognitive Defizite. Besonders deutlich war diese Entwicklung bei den sogenannten „Amyloid-positiven“-Probanden: Beta-Amyloid ist ein Eiweißstoff, der sich im Zuge einer Alzheimer-Erkrankung im Gehirn ansammelt und sich im Nervenwasser nachweisen lässt. Liegt der Messspiegel jenseits eines Schwellenwertes, wird dies als Beleg dafür gesehen, dass sich Beta-Amyloid im Gehirn anreichert. Diese Personen gelten dann als „Amyloid-positiv“.
83 Probanden mit SCD und 25 Personen aus einer Kontrollgruppe, ohne SCD-Symptome, hatten diesen Status. Es gab jedoch einen entscheidenden Unterschied: Der messbare kognitive Abbau war bei den Amyloid-positiven Probanden der Kontrollgruppe, die keine SCD angaben, weitaus geringer, als bei den SCD-Probanden. Unterschiede zeigten auch die MRT-Daten des Gehirns: Der Hippocampus von Amyloid-positiven Personen mit SCD war messbar kleiner als bei den Amyloid-positiven Probanden der Kontrollgruppe – ein Hinweis für den Verlust von Hirnmasse.
Beim Auftreten von SCD in Verbindung mit Amyloid-Ansammlungen scheint also durchaus ein Risiko, Alzheimer zu entwickeln, vorzuliegen. „Zählt man alle Befunde zusammen, dann sehen wir die Kombination von SCD und Amyloid-positiv-Status als starken Indikator für eine Alzheimer-Erkrankung im Frühstadium“, sagt Studienleiter Jessen.
Alzheimer wird in sechs Stadien einteilt, wobei Stufe 6 eine schwerwiegende Demenz darstellt. „Die Kombination von SCD und Amyloid-positiv-Status entspricht nach unserer Einschätzung der Stufe 2. Diese liegt vor dem Zustand, bei dem erstmals messbare Symptome auftreten und der auch mild cognitive impairment genannt wird“, so Jessen weiter. Bislang gibt es keine effektive Behandlung von Alzheimer.
Allgemein wird allerdings davon ausgegangen, dass eine Therapie frühestmöglich einsetzen sollte, da bei klinisch messbaren Symptomen das Gehirn schon erheblich geschädigt sein kann. „Aus heutiger Sicht hat eine Behandlung dann wenig Aussicht auf nachhaltigen Erfolg“, so Jessen. „Die Frage ist daher, wie man scheinbar gesunde Personen identifizieren kann, die aber tatsächlich an Alzheimer erkrankt sind und mit großer Wahrscheinlichkeit eine Demenz entwickeln werden. Die Kombination von SCD und Amyloid-positiv-Status halte ich für ein vielversprechendes Kriterium, das man in künftigen Studien weiter untersuchen und überprüfen sollte.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE). Die Originalpublikation findet ihr hier.
Bildquelle: Atul Pandey, unsplash.