Die Suche nach versteckter Tumor-DNA im Blut von Kolonkarzinom-Patienten könnte sich auszahlen. Bleibt dank Liquid Biopsy vielen Patienten eine unnötige Chemotherapie erspart?
Bei Kolonkarzinom-Patienten im Stadium III senkt eine adjuvante Chemotherapie das Sterberisiko nach der operativen Entfernung des Tumors signifikant. Das ist bekannt. Doch ob auch Patienten im Stadium II von der Chemo profitieren, ist umstritten. Die S3-Leitlinie empfiehlt die adjuvante Chemotherapie für diese Patienten nur bei erhöhtem individuellem Rezidiv-Risiko bzw. „in ausgewählten Risikosituationen“, also bei T4-Tumoren, eine Tumorperforation und/oder Operation unter Notfallbedingungen sowie eine zu geringe Anzahl untersuchter Lymphknoten.
Doch dieses Vorgehen ist nicht sehr genau – viele Krebspatienten mit Hochrisikomerkmalen erleiden gar kein Rezidiv, während bei anderen mit geringem Risiko der Krebs zurückkehrt.
Eine genauere Vorhersage des Rezidiv-Risikos könnte somit die Therapie für Patienten mit Hochrisikokrebs verbessern, aber auch gleichzeitig vielen Patienten eine Chemotherapie ersparen. Und hier kommt die zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) ins Spiel. Durch den Nachweis von ctDNA kann festgestellt werden, welche Patienten am ehesten von einer Chemotherapie profitieren. Die DYNAMIC-Studie beschäftigt sich damit, ob sich ctDNA für eine solche Voraussage des Rezidiv-Risikos beim Kolonkarzinom eignet. Die Ergebnisse sind jetzt im New England Journal of Medicine erschienen.
An der kontrolliert, randomisierten Phase-II-Studie nahmen insgesamt 455 Patienten teil, von denen 302 eine ctDNA-basierte Behandlungsstrategie und 153 eine Standardbehandlung erhielten. Bei der ctDNA-basierten Strategie erhielten die Patienten eine adjuvante Chemotherapie mit Fluoropyrimidin oder Oxaliplatin, wenn innerhalb von 7 Wochen nach der Operation noch ctDNA im Blut nachweisbar war. Ohne ctDNA-Nachweis erhielten die Patienten keine Chemotherapie. Die Standardbehandlung sah vor, eine Chemo nur aufgrund vorliegender Risikofaktoren vorzunehmen.
Wie die Autoren berichten, haben Patienten in der ctDNA-Gruppe nur knapp halb so häufig eine Chemotherapie erhalten wie die Gruppe der Standardbehandlungen, nämlich nur 45 von 294 Patienten (15 %) in der ctDNA-Gruppe verglichen mit 41 von 147 Patienten (28 %) in der Gruppe der Standardbehandlung (Risk Ratio: 1,82; 95 % KI: 1,25–2,65). Die ctDNA-basierte Behandlung war der Standardbehandlung dabei hinsichtlich des rezidivfreien 2-Jahres-Überleben nicht unterlegen. In der ctDNA-Gruppe überlebten 93,5 % der Patienten, unter der Standardbehandlung mit 92,4 % sogar etwas weniger, allerdings ist der Unterschied von einem Prozentpunkt hier nicht signifikant (95 % KI: -4,1–6,2 %).
„Frühere Studien haben die Theorie aufgestellt, dass ctDNA-Messungen für die Behandlung von Patienten nützlich sein könnten, und diese Studie liefert reale klinische Beweise, die diese Theorien unterstützen“, sagt Dr. Bert Vogelstein, Professor für Onkologie und Forscher am Howard Hughes Medical Institute in Maryland, USA. Joshua Cohen, einer der Hauptautoren der Studie und Doktorand an der Johns Hopkins University School of Medicine, ebenfalls in Maryland, USA, geht noch einen Schritt weiter: „Wir haben die Möglichkeit, die klinische Praxis zu ändern.“
Tatsächlich laufen noch viele weitere Studien, die den Nutzen einer Liqiud Biopsy zum individualisierten Therapie-Management verschiedener solider Tumoren untersuchen sollen. Zumindest beim kolorektalen Karzinom scheint der Einsatz berechtigt, wie die aktuelle Studie zeigt.
Bildquelle: Pawel Czerwinski, unsplash