Deutschland macht sich bereit für den Corona-Herbst. Der jüngste 7-Punkte-Plan des Gesundheitsministers zeigt, wie die Politik die drohende Corona-Welle brechen will.
Bereits Anfang Juni hatte der Expertenrat der Bundesregierung eine Stellungnahme über nötige Vorbereitungen für die Corona-Situation im Herbst vorgelegt. In drei Szenarien (günstige, moderate, ungünstige Lage) hatten die Experten mögliche Situationen im Herbst und Winter durchgespielt und daraus Forderungen bzw. politische Handlungsgrundlagen formuliert, die es bedarf, um einer ungünstigen Lage vorzubeugen.
Vor diesem Hintergrund sowie der Einschätzung der gegenwärtigen Umstände hat Gesundheitsminister Lauterbach nun die Pläne der Bundesregierung in einem 7-Punkte-Plan vorgestellt, um dies zu erreichen. „Ziel ist, dass wir besser in den Herbst hineingehen als wir es im letzten Jahr konnten – und auch als im Jahr davor“, so der Minister.
Aktuell sind mehr Menschen geimpft, Medikamente sind vorhanden, es besteht eine bessere Aufklärung – die Grundvoraussetzungen sind also besser als in den vergangenen beiden Pandemiejahren.
Punkt 1: Um die Bevölkerung von einer Auffrischungsimpfung zu überzeugen, die sich an den neuen Varianten orientiert, gilt es zunächst in einer Impfkampagne das Bewusstsein dafür zu schärfen. Die Vorbereitung für neue Impfstoffe ist dabei bereits in vollem Gange und wird insbesondere von Biontech und Moderna vorangetrieben.
Gleichzeitig sieht Lauterbach klar von einer allgemeinen Impfpflicht ab. Eine vierte Impfung sei immer „ […] ein Thema zwischen Arzt und Patient. Man muss es immer davon abhängig machen, in welcher konkreten Situation man ist.“
Punkt 2: Sieht die Klärung der Teststrategie vor. Das System der Bürgertests stehe dabei auf dem Prüfstand. Auch und vor allem geht es dabei um die Fragen, wer diese weiterhin kostenlos erhalte und wie Missbrauch verhindert werden könne.
Punkt 3: Es gibt spezifische Medikamente, die bei einer Covid-Infektion helfen. Das Wissen hierum ist aber entweder nicht verbreitet oder werde nicht weitergegeben. Diese Defizite bei den Arzneimitteln (wie Paxlovid®) müssen behoben werden. „Sie werden gekauft, liegen vor, aber werden viel zu selten eingesetzt.“ Helfen soll nun ein Konzept, das der Expertenrat erarbeitet, wie die Medikamente zielgenauer eingesetzt werden.
Punkt 4: Betrifft die Vorsorge und Versorgung vulnerabler Gruppen. Insbesondere Bewohner von Alten- und Pflegeheimen brauchen hier einheitliche, nachvollziehbare und wirksame Hygienekonzepte.
Punkt 5: Spätestens im Herbst soll ein digitales System etabliert sein, das „tagesaktuell elektronisch die freien und belegten Betten in den Krankenhäusern und auf den Intensivstationen anzeigt“, so Lauterbach. Aller Voraussicht nach soll dies über das Deutsche Elektronische Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (DEMIS) abgewickelt werden.
Punkt 6: Schulen und Kitas. Obwohl die Umsetzung des IfSG Ländersache ist und ebenso die Erarbeitung von Hygiene-, Impf- und Testkonzepten für Schulen und Kindertagesstätten dezentral vorgenommen wird, möchte das BMG hier unterstützen.
Punkt 7: Im letzten Punkt geht Lauterbach auf eine Neufassung des IfSG ein. Da das bestehende Gesetz am 23.9. ausläuft, sei es dem Minister wichtig, dass hier Klarheit herrsche bevor es in die parlamentarische Sommerpause gehe. Um hier voranzukommen ist er bereits mit Justizminister Buschmann im Gespräch.
So sieht er also aus, der Plan, mit dem wir uns gegen jegliche Varianten des Virus wappnen. Doch schaut man einmal vor die Tür und sieht sich um, kommt recht schnell die Frage auf: Wieso erst im Herbst? Es gibt sie, die Sommerwelle. Und sie nimmt Fahrt auf. Dass das auch dem Gesundheitsminister nicht verborgen geblieben ist, ist schon einmal positiv – im Sinne von negativ.
Und der Minister gibt Entwarnung: „Es ist betrüblich, dass wir eine Sommerwelle haben, aber es gibt auch Licht am Ende des Tunnels.“ Und auch die aktuelle Übersterblichkeit ist zwar „keine Kleinigkeit“, doch wenn alle besonnen reagieren, wären wir – insbesondere mit Blick auf die moderaten Krankheitsverläufe der aktuellen Varianten BA.4 und BA.5 – „nicht existenziell gefährdet“.
Besonnen und eigenverantwortlich reagieren heißt in dem Fall, dass man auch in Innenräumen eine Maske tragen solle, wenn die Vernunft es erfordert – und eben auch, dass man sich (noch) impfen lässt – im Zweifelsfall ein viertes Mal.
„Ein Großteil der Menschen dürfte [daher] zumindest gegen schwere Formen von COVID-19 durch BA.5 geschützt sein“, sagt der Infektionsbiologe Stefan Kaufmann vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin dem Tagesspiegel.
Auch mit Blick auf die Lage an den Krankenhäusen und auf den Intensivstationen müsse man sich bei den Unterarten keine allzu großen Sorgen machen, berichtet der Virologe Klaus Stöhr im ZDF. Viel eher sei der Sommer „[…]so entspannt, wie man es nur hoffen konnte […]“. Er geht zudem davon aus, dass […] auf den Intensivstationen der Krankenhäuser nichts Dramatisches geschehen [werde].“
Es scheint also erst einmal so, als seien sich Experten, Praktiker und Politik in Sachen Corona-Maßnahmen erfrischend einig.
Bildquelle: Alec Bennett, unsplash