Es wäre eine einfache Lösung für alle, die kein Smartphone haben: das E-Rezept auf der Gesundheitskarte. Dass das den Versand-Apotheken nicht schmeckt, ist klar. Daher wird nun blockiert, wo es geht.
Von Beginn an war eine der größten Bedenken derjenigen, die das E-Rezept skeptisch sehen, dass es per Smartphone empfangen werden soll, bevor es an die Apotheke weitergesendet wird. Was machen dann all die, die nicht digital unterwegs sind – vorwiegend ältere Menschen, die gar kein Smartphone haben?
Diese Frage stellte ich vor genau einem Jahr bereits dem E-Rezept-Experten Florian Giermann von Noventi Healthcare SE, dem größten Abrechnungszentrum Europas. Seine Antwort darauf war, dass es laut Statistik auch innerhalb der älteren Bevölkerung kaum noch jemanden gebe, der kein Smartphone habe und dass es ein Jahr als Puffer geben werde, in dem sowohl das E-Rezept als auch das klassische Papierrezept nebeneinander existieren, damit sich die Patienten an den technischen Ablauf gewöhnen können (DocCheck berichtete). Zudem sei es ebenfalls möglich, dass die Praxis den Patienten einen Data-Matrix-Code ausdruckt, der dann entweder in einer Apotheke vor Ort eingelöst oder, wie bisher auch, per Post an einen Versender geschickt werden kann. Das ist zwar wieder nicht digital und weiterhin papierfressend, aber derzeit die einzige Möglichkeit für technisch schlecht ausgestattete Menschen.
Ein weiteres Problem: Um sich in der Gematik-App als User anzumelden, damit man ein vom Arzt ausgestelltes E-Rezept auch weiterleiten kann, benötigt man nicht nur ein Smartphone, sondern auch eine neuartige elektronische Gesundheitskarte (EGK), die NFC-fähig (NFC = Near Field Communication) ist. Die App kann erst dann genutzt werden, wenn der Nutzer seine neuartige EGK an das Smartphone hält, und dieses den Nutzer somit zweifelsfrei als autorisiert erkennt. Eine weitere technische Hürde, die sich hier vor allem für die älteren Mitbürger auftut.
Inzwischen hat sich auch eine alternative Möglichkeit für den Transport der Informationen vom Arzt bis zur Apotheke eröffnet – ohne Papierausdruck. Nämlich über den Chip, der sich bereits auf jeder EGK befindet. Möglich gemacht hat diese Lösung das „Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz“ (DVPMG), welches unter anderem die Aufgabe hat, die digitale Gesundheitswelt nutzerfreundlicher zu gestalten.
Es wäre tatsächlich eine pragmatische Lösung gewesen, denn eine „normale” – also nicht-NFC-fähige – EGK besitzt ja bereits jeder Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen. Die technische Spezifizierung war laut Gesetz die Aufgabe der Gematik und die hat fristgerecht geliefert. Trotzdem stockt die Umsetzung dieser Möglichkeit nun, denn es haben sich rechtliche Fragen ergeben, die zunächst gelöst werden müssen.
Laut einer Nachfrage der Pharmazeutischen Zeitung äußerte sich das Bundesgesundheitsministerium (BMG) dahingehend, dass „das Projekt derzeit ruhe, weil die EU-Versender rechtliche Bedenken angemeldet hätten“ und gegenüber BMG und Gematik mit juristischen Konsequenzen gedroht haben, sollte man den Chip auf der EGK als E-Rezept-Übertragungslösung etablieren. Man fühle sich benachteiligt, da die Nutzung dieses Übertragungswegs derzeit nur den Vor-Ort-Apotheken zur Verfügung steht.
Das BMG bestätigte diese Beschwerde, teilt aber laut Ministeriumssprecher diese Bedenken nicht. Bereits vor über vier Wochen wurde daher ein Rechtsgutachten seitens des Ministeriums in Auftrag gegeben. Auf den Ausgang wartet man bislang vergebens und so lange liegt das ganze Projekt auch auf Eis. Steht dieser Weg den EU-Versendern nicht frei, wird es wohl kaum Bewegung in der Sache geben.
Kein Fortschritt in Sachen E-Rezept stellt für die Versender allerdings auch keine Verbesserung dar – jede in der Presse veröffentlichte Nachricht, die mit einer weiteren Verzögerung des Roll-outs zu tun hat, führt zu Kursstürzen. Statt nur mit einer Blockade dieser Idee zu reagieren, kommt DocMorris von daher nun mit der Forderung, ebenfalls Zugriff auf die EGK-Daten zu bekommen. So stellte Chief Strategy Officer Ulrich Thomé kürzlich beim Kongress des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken (BVDVA) klar: „Es wäre technisch vollkommen easy, dass Patienten zuhause auch die Möglichkeit bekommen, ihre EGK-Daten einzugeben, um das Rezept im Versandhandel einzulösen.“
So lange diese technische Möglichkeit aber noch nicht gegeben ist, wird seitens der Versender lieber blockiert – und damit ein auch für technisch nicht versierte Menschen einfacher, barrierearmer Zugang zum E-Rezept unnötig verstellt. Auch wenn Thomé behauptet, das habe nichts mit Protektionismus zu tun: In meinen Augen ist es genau das. Und das sollten sich all diejenigen gut merken, die ältere Angehörige haben, die von dieser pragmatischen Lösung profitiert hätten.
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