In der Schweiz ist Corona vorbei. Es gibt keine Maßnahmen mehr. Das Schweizer Bundesamt für Gesundheit versichert aber: Wenn man sich weiterhin schützen will, kann man das gerne tun. WENN und KANN?
Seit Mitte Februar also keine Maskenpflicht mehr in der Schweiz. Inzwischen wurde in jeglichen Innenräumen, im ÖV und selbst in den Alters- und Pflegeheimen sowie in den meisten Spitälern die Maskenpflicht aufgehoben – zusammen mit allen anderen Maßnahmen. Die Pandemie ist in den Augen der Öffentlichkeit vorbei. Das heißt nicht, dass niemand mehr krank wird. Im Gegenteil, würde ich meinen.
Natürlich nicht nur Corona; in den letzten Monaten holt man sich wieder alles, was man in den letzten zwei Jahren kaum mehr gesehen hat. Zu den vielen normalen Erkältungserkrankungen und der aktuell starken Pollenallergie-Saison kommen noch Magen-Darm-Krankheiten, die man sonst mehr in den Wintermonaten sieht, Läuse und auch Kinderkrankheiten, wie Windpocken, haben ein Comeback.
All diese Leute kommen in die Apotheke. Sie husten, niesen, schnupfen, haben Magenkrämpfe, Ausschlag … und alle finden es normal, dass sie ohne Maske kommen. Ich und eine schwangere Mitarbeiterin tragen noch Maske und kommen uns zunehmend blöd vor. Den Leuten ist es egal – egal, ob sie jetzt Corona haben, oder etwas anderes. Egal, ob sie sich anstecken könnten oder ansteckend sind. Die Pandemie ist vorbei und das, was jetzt noch rumgeht, ist ja offiziell „mild“.
Die Einstellung der Leute lässt sich schön in dem Kunden gestern zeigen, der (natürlich maskenlos) mit Erkältungssymptomen und andauerndem Husten zu uns in die Apotheke kam. Als ich ihn nach den Beschwerden frage, meint er: „Halsschmerzen, etwas Fieber, Husten … nicht Corona-bedingt.“
Ich: „Woher wissen Sie das? Haben Sie getestet?“Er: „Nein.“Ich: „Dann können Sie das nicht wissen.“
Darauf war er ein bisschen angemieft, hat dann aber trotzdem die (pflanzlichen) Lutschtabletten und den Tee gekauft.
Irgendwo kann ich die Reaktion der Leute verstehen. Ich musste selber nachschauen gehen, was denn die aktuellen „Empfehlungen zum Verhalten“ sind. Das Schweizer Bundesamt für Gesundheit (BAG) schreibt: „Mit der Aufhebung der Maßnahmen gewinnt die Verantwortung jedes Einzelnen an Bedeutung. Wie man sich selbst und andere schützt, hängt vom eigenen Verhalten ab. Wenn Sie sich weiterhin schützen möchten, können Sie sich an folgenden Grundprinzipien orientieren: impfen, Maske tragen, regelmäßig lüften, Hände waschen oder desinfizieren, in Taschentuch oder Armbeuge husten und niesen, auf Händeschütteln verzichten.“
WENN und KÖNNEN – steht da. Ergebnis: Maske trägt fast keiner mehr. Jeder umarmt sich wieder und schüttelt die Hände. Das Einzige, was ich noch sehe, das häufiger gemacht wird, ist das Händedesinfizieren. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Säule mit dem Desinfektionsmittel noch oft am Eingang der Geschäfte steht. Tendenz allerdings auch stark abnehmend … und ehrlich: Das Virus wird hauptsächlich über die Luft und Aerosole übertragen, das ist Gewissensberuhigung, sonst nichts.
Die Nachfrage nach der Impfung (sicher, immer noch guter Schutz vor Komplikationen) ist total eingebrochen und wer die 4. will, muss hart darum kämpfen und sie wahrscheinlich selbst bezahlen. Unter 5-Jährige können offiziell immer noch nicht mit der Impfung geschützt werden, da sie noch immer nicht dafür zugelassen ist.
Von Testen steht da übrigens gar nix. Weder Selbsttests, noch PCR – und für was soll man das auch machen? In Quarantäne oder Isolation muss man nicht mehr. Es wird auf der BAG-Seite noch erwähnt, dass es in folgenden Situationen noch sinnvoll sein KANN, sich testen zu lassen: „Wenn Sie Symptome haben und zu den besonders gefährdeten Personen gehören bzw. engen und regelmäßigen Kontakt zu besonders gefährdeten Personen pflegen, wenn Sie Kontakt zu einem bestätigten Fall hatten und zu den besonders gefährdeten Personen gehören bzw. engen und regelmäßigen Kontakt zu besonders gefährdeten Personen pflegen.“
Übrigens: Die Zertifikatspflicht wurde mit der Maskenpflicht aufgehoben. Zum Reisen braucht man sie teils noch. Ein Genesenen-Zertifikat wird nun nicht mehr nach einem Antikörpertest ausgestellt, es kann aber nach einem positiven PCR-, oder – neu – auch Schnelltest ausgestellt werden (dafür müsste man aber bei Symptomen testen gehen …).
Dementsprechend sehen die Zahlen zu Covid aus, insoweit sie überhaupt noch erfasst werden. Tests: eingebrochen. Positive Tests: sinkend. Positivrate: sinkend. Doch ACHTUNG: in der letzten Woche wieder steigend, trotz allem. Immerhin: Krankenhauseinweisungen, Leute auf der Intensivstation und Todesfälle sind seit März stetig gesunken – aber immer noch 3 x höher als Sommer 2020, als wir alle noch vorsichtig waren. Das ist der Effekt vom Impfschutz und nicht mehr so gefährlichen („milden“) Virus und vielleicht einer gewissen Immunität. Wobei ich letzteres anzweifle ob der vielen, vielen Berichte von Wiederansteckungen innerhalb weniger Wochen.
Nicht erfasst werden die Long-Covid-, oder wie die WHO und BAG es nennen, Post-Covid-Fälle. Dabei wäre das für mich der wichtigste Grund, sich jetzt noch (und weiterhin) möglichst vor einer Infektion zu schützen. Wie sind die aktuellen Zahlen? Etwa 10 % Chance auf Long Covid nach jeder Infektion, anscheinend auch wenn geimpft. Immerhin hat es dazu eine BAG-Seite.
Aber was wirklich vergessen geht bei all dem und das wäre das Wichtigste: Sobald man symptomatisch wird, sollte man sein Verhalten ändern. Sofort. Dann bitte wirklich eine Maske anziehen, wenn man raus, einkaufen oder in die Apotheke geht. Dann bitte auch nicht auf Massenveranstaltungen oder ohne Maske ins Restaurant. Bitte auch nicht zur Arbeit, vor allem nicht, wenn man mit Patientenkontakt arbeitet.
Könnten wir das wieder mehr propagieren? Bitte?
Aus der Apotheke gesendet. Mit immer noch regelmäßig ausfallenden Mitarbeitern.
Bildquelle: Andre Hunter, Unsplash