Als Ärztin schwanger werden – das haben mir viele Kollegen als sehr schwierig prophezeit. Nicht nur der Stress, die Arbeitszeiten, die mentalen Belastung nagen an einem, auch das Gewissen gegenüber den Kollegen schaltet sich ein.
Schwangere und Stillende müssen im Beruf geschützt werden – im Allgemeinen und in der Medizin. Deswegen gibt es jetzt eine Liste des Deutschen Ärztebunds, die vorbildliche Arbeitgeber aufzeigt. Aber eigentlich müsste man viel früher ansetzen.
Mir haben damals viele Kolleginnen prophezeit, dass es „mal was länger dauern kann“ bis das mit der Schwangerschaft überhaupt klappt – wenn es denn komplikationslos klappt. Die Rede war von ca. 1,5 Jahren bis zur ersten Schwangerschaft. Das zeigen auch aktuelle Studien. Bei mir hat es nur ein Dreivierteljahr gedauert und schon das kam mir wie eine gefühlte Ewigkeit vor, weil diverse Freundinnen aus anderen Berufen viel schneller schwanger wurden. Aber Nachtdienste und Stress fordern auch da ihren Tribut und Zyklusunregelmäßigkeiten sind etwas, von dem im persönlichen Gespräch viele Ärztinnen berichten.
Wenn man dann schwanger ist, kommt der Gewissenskonflikt: Schutz des Kindes vs. Loyalität gegenüber den Kollegen oder Gedanken an Weiterbildungszeiten. Natürlich sind einige Tätigkeiten in unserem Beruf gefährlich für das Kind. Allen voran Operationen und Blutabnahmen, sprich alles mit scharfen Gegenständen wie Nadeln oder Skalpellen. Dazu kommen teilweise fetotoxische Medikamente.
Ich hatte damals gedacht, dass ich „die drei Nachtdienste“ schaffe, bevor ich meine Schwangerschaft bekannt gebe, weil ich die Kollegen nicht zu sehr belasten wollte – der Punkt Loyalität. Es war echt wie verhext: Am ersten Abend teilte der Kollege von der Spätschicht mir mit, dass ich eben die Chemotherapie für den Patienten auf Intensiv vorbereiten und verabreichen sollte. In den 5 Jahren zuvor war so etwas in unserem Haus noch NIE durchgeführt worden. Was also tun? Ich habe kurzerhand meinem Kollegen von der Schwangerschaft und von meinem Konflikt erzählt. Er hat sich netterweise bereit erklärt, das zu übernehmen.
Im Verlauf der Schwangerschaft hatte ich quasi immer einen PJler dabei. Das war eine absolute Win-Win-Situation: Ich musste keine Nadel für Aszitespunktionen in die Hand nehmen, sondern konnte mich in Ruhe auf die Anleitung konzentrieren und der PJler konnte die eigentliche Punktion durchführen. Aber das geht natürlich nicht immer und überall.
Das Hauptproblem ist meines Erachtens die echt dünne Personaldecke. Alle Abteilungen sind so besetzt, dass es im Normalfall gerade reicht. Wenn dann am besten gleich mehrere Ärztinnen schwanger werden, ist Personalmangel absehbar. Ich weiß zum Beispiel von einem Chefarzt, der wegen der Schwangerschaft mehrerer Assistenzärztinnen zurzeit wieder Erstdienste mitmachen muss, weil einfach nicht genug Leute da sind. Kleines Haus, eh wenig Personal, zack.
Grundsätzlich glaube ich schon, dass es im ambulanten Bereich einfacher ist, auf die Bedürfnisse von Schwangeren einzugehen. Ruhezeiten können besser eingehalten werden, dafür ist im hausärztlichen Bereich das Infektionsrisiko höher. Eine Gesundheitsuntersuchung oder eine Blutdruckeinstellung kann man als Schwangere ja auch problemlos durchführen. Aber wenn Kinder mit Infekten in die Sprechstunde kommen, geht es schon los mit Infektionsschutz vor beispielsweise Ringelröteln. Das macht es, gerade im pädiatrischen Bereich, sehr schwierig. Viele sind direkt nach Bekanntgabe der Schwangerschaft im Beschäftigungsverbot – von Corona brauchen wir gar nicht erst anfangen.
Ich fürchte, da hilft echt nur die gute Kommunikation mit dem Arbeitgeber. Ich hatte da immer Glück. Außerdem hatte ich eine sehr unkomplizierte Schwangerschaft. Auch das kenne ich aus Erzählungen von Kolleginnen anders – und dann wird es für alle Beteiligten richtig schwer. Dann ist es für den Arbeitgeber schnell einfacher, sich auf ein Beschäftigungsverbot zurückzuziehen oder – und das habe ich leider auch von mehreren Patienten aus dem Pflege-Bereich gehört – die Leute einfach gar nicht zu entlasten. Bis dann teilweise der Gynäkologe die Notbremse ziehen und ein Beschäftigungsverbot erteilen muss, weil es zunehmend zu Problemen kommt. Auf Missstände hinzuweisen, traut sich kaum eine Frau, weil sie ja gerne nach der Elternzeit wiederkommen will.
Und dazu kommen auch noch die Unwägbarkeiten des Lebens: Meine erste Schwangerschaft war zur Zeit der Schweinegrippe, von der sehr schnell bekannt war, dass sie für Schwangere ein Risiko darstellt. Vor allem weil es noch keinen Impfstoff gab bzw. nur den adjuvantierten, der für Schwangere nicht empfohlen wurde. Das war schon eine sehr schwierige Entscheidung – „Kollegen nicht im Stich lassen wollen“ auf der einen Seite, „hypothetisches Risiko einer Infektion mit Komplikationen“ auf der anderen Seite.
Da sich bei uns der Infektionsdruck zum Ende der Schwangerschaft doch arg zuspitzte, habe ich mich damals nach stundenlangen Recherchen und Grübeln doch impfen lassen – mit dem adjuvantierten Impfstoff, einen anderen gab es ja nicht. Ich habe mich zwei Wochen total isoliert und in dem Zusammenhang auch ein Beschäftigungsverbot mit meinem Gynäkologen besprochen. Es war mir furchtbar unangenehm – bis dann kurz danach eine Schwangere bei uns im Krankenhaus an den Komplikationen einer Schweinegrippeinfektion verstarb. Einige Tage später hatten sämtliche schwangere Ärztinnen hier ein Beschäftigungsverbot.
Interessanterweise sehe ich jetzt die andere Seite der Medaille: Bei einer unserer MFAs warten alle nur darauf, dass sie, nach komplizierter Erstschwangerschaft, erneut schwanger wird. Nachdem ich vor Kurzem eine Fortbildung zum Thema Arbeitsrecht und Mutterschutz gehört habe, gehe ich davon aus, dass sie aufgrund des Mutterschutzgesetzes samt Corona-Auflagen – bis auf vielleicht ein bisschen Einscannen – nichts mehr tun kann und ich zumindest ein teilweises Beschäftigungsverbotverbot aussprechen muss. Das belastet das restliche Team. Deswegen schaue ich jetzt schon mal, ob wir uns um Verstärkung kümmern können.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich als Vorgesetzte selbst jetzt, nach der Fortbildung, wirklich alle Dinge berücksichtige, die ich berücksichtigen muss. Einfach weil man nicht alle Regeln auf dem Schirm hat. Mein Chef und ich fanden außerdem raus, dass wir bei meinen Schwangerschaften auch nicht alles berücksichtigt haben. Ich war nie in Gefahr, ich war immer zufrieden, aber der Papierkram war nicht 1A. Es ist alles nicht so einfach, auch von Arbeitgeberseite.
Wie schon so oft: Ich denke, dass vor allem das Verständnis und das miteinander Reden der Schlüssel dazu sind, eine gemeinsame Lösung zu finden. Aber natürlich kenne ich beide Seiten – das ist sicherlich für das Verständnis künftiger schwangerer Angestellter von Vorteil. Bevor jetzt einige sagen, das geht auch, wenn man keine Kinder hat: Natürlich geht das. Aber zumindest bei mir war es so, dass es schon ein Unterschied war, zwischen „intellektuell wissen, dass es Organisationsprobleme mit Schwangerschaft, Elternzeit und Kindern geben kann“ und es wirklich nachFÜHLEN zu können, weil man selbst Kinder hat.
Grundsätzlich gilt aber für uns alle: Wir werden sicherlich noch mehr Lösungsansätze finden und neue Wege gehen müssen, um die Themen Kinderwunsch, Schwangerschaft, Stillzeit und Elternschaft besser mit unserem Berufsfeld vereinbaren zu können. Denn wir brauchen Ärzte und Ärztinnen und wir brauchen auch Kinder – und es wäre eine Schande, zwischen diesen beiden Lebenspunkten wählen zu müssen.
Bildquelle: Omar Lopez, unsplash