Biochemiker lüfteten einen elementaren Vorgang des Energiestoffwechsels: Sie entschlüsselten die Struktur des größten Proteins der Atmungskette, des mitochondrialen Komplexes I, und erfuhren dabei Neues über dessen Funktion.
Mitochondrien produzieren ATP, die Energie-Währung des Körpers. Der Antrieb für diesen Prozess ist ein elektrochemisches Membranpotential, das von einer Reihe von Protonenpumpen erzeugt wird. Diese komplexen makromolekularen Maschinen werden zusammen als Atmungskette bezeichnet. Die Struktur des größten Proteins der Atmungskette, des mitochondrialen Komplex I, haben Wissenschaftler des Frankfurter Exzellenzclusters „Makromolekulare Komplexe“ in Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg jetzt mithilfe der Röntgenstrukturanalyse aufgeklärt. „Der mitochondriale Komplex I spielt bei der Gewinnung von zellulärer Energie eine Schlüsselrolle und wird darüber hinaus mit der Entstehung von Krankheiten wie Parkinson in Verbindung gebracht“, erklärt Volker Zickermann, Privat-Dozent im Institut für Biochemie II der Goethe-Universität. Für das Funktionieren der Atmungskette müssen in allen Zellen unseres Körpers permanent ausreichende Mengen an Sauerstoff zur Verfügung stehen. Die bei der biologischen Oxidation freigesetzte Energie wird dazu verwendet, Protonen von einer Seite der inneren Mitochondrien-Membran auf die andere Seite zu transportieren. Der entstehende Protonengradient ist die eigentliche „Batterie“ für die ATP-Synthese.
Was die Forscher überraschte: Vorangegangene Studien legten nahe, dass Redoxreaktion und Protonentransport im Komplex I räumlich voneinander getrennt ablaufen. Die Frankfurter Wissenschaftler in der Arbeitsgruppe von Zickermann sowie die Arbeitsgruppen von Prof. Harald Schwalbe und Prof. Ulrich Brandt konnten nun aus der detaillierten Analyse der Struktur ableiten, wie die beiden Prozesse miteinander in Verbindung stehen. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zum Verständnis eines elementaren Vorgangs im Energiestoffwechsel.
Schon länger ist bekannt, dass Komplex I reversibel zwischen einer aktiven und einer inaktiven Form hin und her wechseln kann. Dies wird als ein Schutzmechanismus gegen die Bildung von schädlichen Sauerstoffradikalen interpretiert. Die Struktur gibt nun deutliche Hinweise darauf, wie sich diese beiden Formen voneinander unterscheiden und ineinander überführt werden können. „Die Forschungsergebnisse geben damit auch wichtige Hinweise zu den molekularen Grundlagen einer pathophysiologisch bedeutsamen Eigenschaft von Komplex I, die etwa für das Ausmaß einer Gewebeschädigung nach einem Herzinfarkt von Bedeutung ist“, erläutert Zickermann. Originalpublikation: Mechanistic insight from the crystal structure of mitochondrial complex I V. Zickermann et al.; Science, doi: 10.1126/science.1259859; 2015