Melatonin ist ein beliebtes Mittel zur Behandlung von Schlafstörungen nach langen Flugreisen. Krankenkassen müssen dafür aber nicht zahlen, hat jetzt der G-BA entschieden.
Mit der jetzt erfolgten Veröffentlichung im Bundesanzeiger erhält die Anlage II der Arzneimittelrichtlinie einen neuen Abschnitt, nämlich „Durch die Lebensführung bedingte, kurzzeitige nichtorganische Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus“. Es ist der achte Eintrag in dieser Anlage. Sie ist mit „Lifestyle-Arzneimittel“ überschrieben und zieht für rezeptpflichtige Medikamente in den entsprechenden Bereichen einen Verordnungsausschluss zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nach sich.
Bekannteste Rubrik der Anlage II ist „Sexuelle Dysfunktion“. Damit werden insbesondere rezeptpflichtige Medikamente gegen Erektionsstörungen von der Erstattung ausgeschlossen. Weitere Rubriken sind „Peripher wirkende Abmagerungsmittel“, „Zentral wirkende Abmagerungsmittel“, „Nikotinabhängigkeit“, „Steigerung des sexuellen Verlangens“, „Verbesserung des Haarwuchses“ und „Verbesserung des Aussehens“.
Probleme in all diesen Bereichen werden gewissermaßen als Privatsache eingestuft: Wer seiner Nikotinabhängigkeit mit Vareniclin oder Nikotinersatzpräparaten, seinem Haarausfall mit Minoxidil oder Finasterid, seiner fehlenden sexuellen Appetenz mit Testosteron oder Turnera diffusa oder seinem Aussehen mit Botulinumtoxin nachhelfen möchte, der zahlt das in aller Regel aus eigener Tasche.
Die aktuelle Erweiterung der Anlage II geht auf einen G-BA-Beschluss vom 18. März 2022 zurück. Die neue Rubrik der durch die Lebensführung bedingten, kurzzeitigen nichtorganischen Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus enthält bis auf Weiteres nur einen einzigen Eintrag, nämlich Melatonin. Das konkrete Präparat, um das es dem G-BA geht, ist Melatonin Vitabalans des Herstellers Blanco Pharma. Melatonin ist einerseits in niedrigen Dosierungen als OTC-Präparat erhältlich. Andererseits gibt es aber rezeptpflichtiges Melatonin in den höheren Dosierungen ab 3 mg pro Tag.
Hier ist das Blanco Pharma Präparat angesiedelt. Es ist zugelassen für das Anwendungsgebiet Jetlag. Hierbei gehe es, so der G-BA in den Tragenden Gründen zum Beschlussentwurf, um eine Behandlung zur kurzfristigen Erhöhung der Lebensqualität bei einer exogen durch Lebensstil ausgelösten Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus. Dies falle in die Eigenverantwortung der Betroffenen und schließe eine Erstattung durch die GKV aus. Im Rahmen der mündlichen Anhörung sei der Beschlussentwurf durch den Vertreter der zuständigen Fachgesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), unterstützt worden, so der G-BA, allerdings „abweichend zur schriftlichen Stellungnahme“.
Nicht betroffen vom Verordnungsausschluss sind die Melatonin-Präparate Circadin® von Medice und Slenyto® von InfectoPharm. Sie sind zugelassen als Monotherapie für die kurzzeitige Behandlung der primären Insomnie bei Menschen ab 55 Jahren (Circadin®) bzw. zur Behandlung von Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen mit Autismus und/oder Smith-Magenis-Syndrom, wenn Schlafhygienemaßnahmen unzureichend waren (Slenyto®). Insomnie sei zwar ebenfalls eine nicht-organische Schlafstörung, sie sei aber anders als der exogen ausgelöste Jetlag ein häufiges Symptom vieler psychischer und somatischer Störungen. Der G-BA sieht hier keinen Lebensstilbezug, entsprechend bleibt die GKV-Erstattung in diesen Kontexten möglich.
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