Neben Samenbanken und Blutbanken könnte es bald auch Stuhlbanken geben: Durch die Transplantation einer Spende von 30 g frischem oder gefrorenem Stuhl können Patienten, die an Clostridium difficile leiden, in den meisten Fällen geheilt werden.
Clostridium difficile (seit August 2016 korrekt bezeichnet als Clostridioides difficile) plagt vor allem ältere Menschen: 90 Prozent der Patienten mit einer Clostridium-difficile-Enteritis sind älter als 65 Jahre, das Durchschnittsalter der Infizierten liegt bei 76 Jahren. Zwei Drittel der Infektionen sind nosokomial, ein Drittel ambulant erworben. In den letzten Jahren stieg sowohl die Zahl als auch die Schwere der Infektionen durch Clostridium difficile signifikant. Die Ursachen sind unter anderem die weite Verbreitung der Antibiotika-Therapie, das zunehmende Alter der Menschen, Co-Morbiditäten bei Patienten, die Einnahme von säurehemmenden Medikamenten (insbesondere von Protonenpumpeninhibitoren) und die zunehmende Virulenz einiger Bakterienstämme. Die Mortalität einer Clostridium-difficile-Enteritis liegt bei etwa sieben Prozent. Die Einschränkung der Lebensqualität durch die heftigen Durchfallattacken wird von den meisten Betroffenen jedoch als beträchtlich eingestuft.
Eine Infektion mit C. difficile ist in erster Linie eine Störung der Darmmikrobiota, auch Dysbiose genannt. Bis vor wenigen Jahren bestand die einzige Therapieoption in einer antibiotischen Behandlung – entweder mit Metronidazol oder mit Vancomycin. Da beide Antibiotika zwar den Erreger bekämpfen, gleichzeitig aber auch zahlreiche weitere Bakterien der natürlichen Darmflora abtöten, kommt es bei etwa 25 Prozent der behandelten Patienten zu einem Rezidiv. Von diesen Personen erleiden 45 bis 60 Prozent weitere Rückfälle. Die Einführung des Antibiotikums Fidaxomicin konnte diese Zahlen nur geringfügig verbessern. Umso mehr überzeugen die Zahlen der Stuhltransplantation oder, patientenfreundlicher ausgedrückt, des Mikrobiota-Transfers.
Nach einer ausführlichen Befragung zu Lebensgewohnheiten, Krankheitshistorie und akutem Gesundheitszustand werden Blut, Urin und Stuhl des potenziellen Spenders gründlich untersucht. Am Tag der Spende wird der Spender noch einmal zu seinem Gesundheitszustand der letzten Tage befragt. Ist alles in Ordnung, gibt der Spender seine Stuhlprobe ab. Davon verwendet das Team um Prof. Konturek etwa 30 g, der Rest wird verworfen. Der Chefarzt benutzt am liebsten frischen Stuhl, der innerhalb von 6 Stunden nach der Spende verarbeitet werden muss. Studien zeigten aber, dass gefrorener Stuhl genauso effektiv ist. „Vielleicht brauchen wir in Zukunft bestimmte Stuhlprofile für bestimmte Empfänger. Dann lässt sich mit gefrorenem Stuhl natürlich sehr komfortabel eine Stuhlbank anlegen, auf die man bei Bedarf zurückgreifen kann“, so Konturek.
Die Stuhlprobe wird zunächst filtriert und zentrifugiert. Für den Weg in den Empfänger gibt es für das Bakterienpellet verschiedene Übertragungswege. Bei C. difficile-Infektionen bevorzugen Konturek und seine Kollegen die Koloskopie. Der koloskopische Weg hat hier einige Vorteile: „Zum einen können wir die Intensität der Entzündung beurteilen und wir können lokal an Entzündungsherden größere Mengen von Bakterien applizieren“, so Konturek. Auch Studien würden darauf hindeuten, dass der koloskopische Weg die effektivste Transfermethode sei. Die hohe Effektivität wiege die Nachteile der invasiven Methode, die in seltenen Fällen auch zu Komplikationen führen könne, auf. Prinzip des Mikrobiotatransfers, Credit: Peter Konturek
Eine Alternative ist die Applikation über den oberen Intestinaltrakt – über den Dünndarm. „Weil der Weg zum Dickdarm durch Verengungen erschwert war, haben wir zwei Patienten auf diese Weise transplantiert, da wir keine Verletzung riskieren wollten“, so Konturek. Der Transfer sei genauso erfolgreich gewesen wie der koloskopische. Auch Kapseln zum Schlucken zeigten in einer Studie eine genauso hohe Effektivität wie die Koloskopie. Bei dieser Untersuchung wurden die immerhin 40 Kapseln, die die Patienten schlucken mussten, als angenehmer bewertet als die Koloskopie. Die Darmreinigung durch Abführmittel, die viele Patienten als das größte Übel empfinden, ist allerdings auch bei einem Transfer über Kapseln notwendig. Die Rate der unerwünschten Ereignisse war mit 5,4 Prozent niedriger als mit 12,5 Prozent in der Koloskopiegruppe. Und ein signifikant höherer Anteil der Teilnehmer, die Kapseln erhielten, bezeichneten ihre Erfahrung als „überhaupt nicht unangenehm“ (66 versus 44 Prozent).
Ein Mikrobiota-Transfer wird von Patienten in der Regel gut vertragen. Die Nebenwirkungen beschränken sich auf kurzzeitige Magen-Darm-Beschwerden wie Blähungen, Völlegefühl und Unwohlsein. Die Datenlage zu den Langzeitfolgen ist noch dünn, aber vielversprechend: „In der Literatur gibt es Daten zu Langezeitbeobachtungen von vier Jahren. Dabei wurde keine Häufung von bestimmten Erkrankungen festgestellt“, so Konturek. Dennoch bleibt die Mikrobiota des Darms mit ihren unzähligen, teilweise noch völlig unbekannten Mikroben zumindest in Teilen eine „Black Box“, die bei einem Transfer mit auf den Empfänger übertragen wird.
Nicht für alle ist der Mikrobiota-Transfer daher die beste Wahl bei rezidivierenden C. difficile-Infektionen. Studieneditor Preeti Malani von der Universität von Michigan in Ann Arbor ist eher skeptisch. Er verweist auf eine Studie mit allerdings nur 28 Patienten, die kürzlich in Clinical Infectious Diseases erschienen ist. Hier war eine ausschleichende Therapie mit Vancomycin tendenziell erfolgreicher als ein fäkaler Mikrobiota-Transfer. Malani propagiert die Gabe des Breitbandantibiotikums Fidaxomicin oder Rifaximin – beide würden kaum vom Darm resorbiert. Eine Alternative zur Antibiose sei der monoklonale Antikörper Bezlotoxumab, der die C. difficile-Bakterien neutralisiere und damit den Krankheitsverlauf verbessere. Diese Therapieoption sei allerdings mit hohen Kosten verbunden, so Konturek.
Prof. Konturek hingegen sieht in der fäkalen Mikrobiota-Transplantation großes Zukunftspotential. „Es laufen bereits Untersuchungen zu „Next Generation Consortia“ – das sind im Labor hergestellte Bakterienmischungen, mit denen sich die Risiken einer Infektion durch unbekannte Mikrobiota-Inhalte umgehen lassen. Ein Cocktail aus etwa 35 verschiedenen Bakterienstämmen hat sich hierbei schon als wirksam erwiesen“, so Konturek. Um hier die beste bakterielle Mischung zu finden, müsse allerdings noch mehr über den perfekten Spender herausgefunden werden.