Herkömmliche Medikamente gegen Parkinson werden oft schlecht resorbiert. Das erste inhalative Levodopa soll hier Abhilfe schaffen und auch beim On-Off-Phänomen helfen.
Das Parkinson-Syndrom ist in Deutschland nach Morbus Alzheimer die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung, von der derzeit etwa 400.000 Menschen betroffen sind. Der Symptomenkomplex wird durch einen Dopaminmangel verursacht, der daher rührt, dass die dopamin-produzierenden Zellen der Substantia nigra nach und nach absterben. Typische Symptome des Parkinson-Syndroms sind Akinese, Rigor, Ruhetremor und posturale Instabilität sowie weitere, nicht-motorische neurologische Symptome.
Die medikamentöse Therapie des idiopathischen Parkinson- Syndroms erfolgt üblicherweise mit Anticholinergika, L-Dopa und DOPA-Decarboxylase-Hemmer, Dopaminagonisten, MAO-B-Hemmern oder COMT-Hemmern. Im Mai kam nun ein neues Medikament auf den Markt: Inbrija von Acorda Therapeutics Ireland Limited mit der deutschen Vertretung Esteve Pharmaceuticals GmbH – das erste inhalative Levodopa. Was bei der Beratung der Patienten zu beachten ist, erfahrt ihr hier.
Speziell beim sogenannten On-Off-Phänomen, das mit großer Häufigkeit bei lang bestehender Parkinson-Krankheit auftritt – nach etwa 10 Jahren leiden bereits etwa 80% aller Parkinson-Erkrankten darunter – soll Inbrija schnelle Hilfe bringen. Bei diesem Phänomen kommt es beim Patienten zu motorischen Fluktuationen, die mehrfach täglich auftreten können. Die genauen Ursachen sind noch nicht abschließend geklärt, doch gesichert ist, dass der Körper mit dem Fortschreiten der Erkrankung immer weniger dazu in der Lage ist, das eingenommene L-Dopa zu speichern. Auch reagiert das Gehirn immer empfindlicher auf das zugeführte Dopamin und immer mehr körpereigene Dopamin-produzierende Nervenzellen sterben ab. Hier wurden bislang meist Dopaminagonisten wie Pramipexol, Ropinirol oder Rotigotin oder MAO-B-Hemmer wie Rasagilin eingesetzt.
L-Dopa wird zudem im Verlauf der Erkrankung immer schlechter aufgenommen, weil Parkinson-typische Magen-Darm-Beschwerden, wie verlangsamte Magenentleerungszeiten und Störungen der Darmmotilität, dafür sorgen, dass eingesetzte Wirkstoffe schlechter resorbiert werden. Die Umgehung des Magen-Darm-Traktes ist daher eine sinnvolle Möglichkeit, den Wirkstoff in kürzerer Zeit für den Körper verfügbar zu machen. Die Kombination mit einem Dopa-Decarboxylase-Hemmer ist bei Inbrija aus diesem Grund ebenfalls nicht nötig, da L-Dopa durch die inhalative Aufnahme weder im Magen-Darm-Trakt noch in der Leber, den Nieren oder dem Herz zu Dopamin decarboxyliert wird.
Die Zulassung wurde nach einer im Jahr 2019 veröffentlichten zwölfwöchigen, placebokontrollierten, doppelt verblindeten und randomisierten klinischen Studie erteilt, die mit 351 Studienteilnehmern durchgeführt wurde. Das inhalative Levodopa, das 113 Patienten in Hochdosis und 114 Patienten in niedriger Dosierung erhielten, verbesserte grundsätzlich die Parkinson-Symptomatik um 9,83 Punkte bei einem Ausgangswert von 32,1 Punkten vor der Inhalation. Bei den 112 Patienten die ein Placebo erhielten, führte die Gabe lediglich zu einer Verbesserung von 5,91 Punkten bei einem Ausgangswert von 29,0.
Die subjektive Wahrnehmung einer möglichen Symptomverbesserung bewerten 46,4 Prozent unter Placebo und 71,4 Prozent mit Inbrija als viel besser, besser oder wenig besser. Dafür zeigte sich im direkten Vergleich der Placebo- und Inbrija-Gruppe kein signifikanter Unterschied bei den täglichen Off-Zeiten. Die EMA erklärte bei der Zulassungsentscheidung von Inbrija dann, dass die rasche Erhöhung des Dopaminspiegels bei der Inhalation zu einer sehr schnellen Verbesserung der Symptome in der Off-Phase führt, was die Lebensqualität der Patienten verbessert.
Die Voraussetzung, die eine Zusatztherapie mit Inbrija möglich macht ist daher einmal, dass der Patient dazu in der Lage ist, die Symptome einer Off-Phase sicher zu erkennen, und er zum anderen stabil auf orales Levodopa plus Decarboxylase-Hemmer (beispielsweise Carbidopa oder Benserazid) eingestellt ist. Zudem muss er motorisch dazu in der Lage sein, die Kapseln in den Inhalator einzulegen. Im Bedarfsfall kann das aber auch eine Bezugsperson erledigen, die dann in der Apotheke bei der Abgabe des Medikamentes sinnvollerweise ebenfalls in die Bedienung eingewiesen werden sollte.
Da es sich hier um ein Hartkapsel-Inhalator-System handelt ist es nicht möglich, versehentlich Sprühstöße abzugeben, die durch Fehlbedienung nicht inhaliert werden. Eine wirkstoffhaltige Kapsel enthält 42 mg Levodopa, bei einer Inhalation werden 33 mg Levodopa abgegeben. Bei jeder Off-Phase werden zwei Kapseln direkt hintereinander inhaliert. Der maximale Inhalationsabstand beträgt zehn Minuten. Bis zu fünf Off-Phasen können pro Tag auf diese Weise behandelt werden, denn die Höchstmenge beträgt 10 Kapseln innerhalb von 24 Stunden. Die maximale Levodopa-Konzentration im Blut wird etwa 30 Minuten nach der Inhalation erreicht.
Wie bei anderen Hartkapseln zur Inhalation spürt der Patient anhand der Rotation der Kapsel im Gehäuse des Inhalators, ob die Inhalation erfolgreich war. Rotiert die Kapsel nicht, dann sollte der Patient laut Fachinformation einen tieferen und längeren Atemzug nehmen oder das Mundstück mit einem trockenen Tuch reinigen. Der Inhalator ist nach der Inhalation der letzten Kapsel zu entsorgen.
Eine sehr häufig auftretende Nebenwirkung ist Husten, der meist leichter bis mittelschwerer Natur ist und in der Regel in den ersten 30 Behandlungstagen auftritt. Außerdem wurden häufig Infektionen der oberen Atemwege, der Nase und der Nasennebenhöhlen, Rachenreizungen, Stürze, Übelkeit sowie ein Erstickungsgefühl direkt nach der Inhalation beobachtet.
Bei der Beratung in der Apotheke sollte eine wichtige Frage die nach einer eventuellen Begleitmedikation sein. Kontraindiziert ist die gleichzeitige Anwendung von nicht-selektiven MAO-Hemmern wie beispielsweise Isocarboxazid und Phenelzin.
Problematisch könnte ebenfalls die Anwendung folgender Medikamente sein:
Wenn der Patient eines dieser Medikamente in der Apotheke bezieht und der Arzt der Inbrija verordnet hat darüber nicht Bescheid weiß, so sollte er umgehend benachrichtigt werden. Der Patient sollte darauf hingewiesen werden, dass er bei jeder Änderung seiner Medikation auch dem Arzt Bescheid geben muss, der seine Parkinson-Medikamente verordnet.
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