Schlechte Koordination, mangelhafte technische und finanzielle Ressourcen und unklare Ziele: Nationale Programme zum Monitoring der Artenvielfalt stehen vor vielen Herausforderungen. Braucht es eine europäische Lösung?
Die europäische Datenlandschaft ist im Bereich der Artenvielfalt stark fragmentiert. Eine Vielzahl an unterschiedlichen Methoden zu Datenerhebung und -analyse macht es oft unmöglich, die gewonnenen Informationen länderübergreifend zu vergleichen. „Außerdem haben viele Länder Schwierigkeiten damit, überhaupt das von der Europäischen Kommission geforderte Minimum an Biodiversitätsmonitoring zu erfüllen“, sagt Prof. Dr. Henrique Pereira, der an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) sowie dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) forscht und das Projekt EuropaBON (Europa Biodiversity Observation Network) leitet.
Die Gründe dafür sind vielfältig: zu geringe finanzielle Mittel, ungenügende technische Kapazitäten, ein Mangel an Unterstützung durch langfristige politische Ziele, Unzugänglichkeit von Daten aus den Landwirtschafts-, Energie- und Fischereisektoren, aber auch eine gewisse Skepsis davor, bestehende Methoden zu verändern.
Dabei hätten Monitoringdaten ein großes Potenzial, politische Strategien und Richtlinien evidenzbasiert mitzugestalten, wie der erste Policy Report des Projekts EuropaBON zeigt. Das europaweite Projekt ist im November 2020 mit der Aufgabe gestartet, ein einheitliches, umfangreiches und gleichermaßen praktikables Vorgehen zur Überwachung der Artenvielfalt und Ökosysteme Europas zu entwickeln.
Seitdem hat das Team Umfragen, Interviews und Workshops mit mehr als 350 Vertretern aus Wissenschaft, Politik und Umweltschutzpraxis durchgeführt. Konkret ging es dabei darum, einen Überblick über bisherige Monitoring-Maßnahmen und ihre Probleme zu erhalten sowie erste Ansätze für einen gemeinsamen Standard zu finden.
Einheitliche, hochwertige Daten zur Biodiversität sind nötig, um die Ziele der EU-Biodiversitätsstrategie für das Jahr 2030 zu erreichen. Darin verpflichten sich die Mitgliedsstaaten, bedrohte oder bereits zerstörte Ökosysteme bis zum Jahr 2030 wiederherzustellen und den Verlust der Artenvielfalt zu stoppen. „Die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 stellt derzeit den Kern integrierter Politiken dar. Doch um ihre Ziele zu erreichen, brauchen europäische Länder und die Europäische Kommission robustere, vergleichbare Daten auf allen Ebenen“, sagt Dr. Ian McCallum, Ko-Leiter des Berichts, vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse in Österreich. Diese Daten würden Politik und Wissenschaft dabei unterstützen, evidenzbasierte Ziele und deren Fortschrittsbewertungen zum Erhalt und der Wiederherstellung von Ökosystemen und ihren Dienstleistungen zu erarbeiten.
Eine bestimmte Methode zeigt sich als besonders vielversprechend für die Harmonisierung der unterschiedlichen Ansätze in Europa: die Bestimmung sogenannter „Essenzieller Biodiversitätsvariablen“ und „Essenzieller Ökosystemleistungsvariablen“. In dem Bericht stellt das EuropaBON-Team eine Rangliste der 15 am höchsten bewerteten Variablen vor, die für einen gemeinsamen Ansatz genutzt werden könnten. Diese decken ein breites Spektrum von der Artenvielfalt von Vögeln und Meeresfischen über die Verteilung von Pflanzen und invasiven Arten bis hin zu Landnutzungsveränderungen ab. Die meisten dieser 15 Variablen werden allerdings derzeit gar nicht oder nicht ausreichend überwacht.
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Die Originalpublikation findet ihr hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Tobias Tullius, unsplash