Der Entwicklungsprozess von Stammzellen lässt sich durch die Marker Ferritin, Luciferase und GFP im lebenden Mausgehirn sichtbar machen. Genregulatoren führen zu einer Markeraktivierung in unterschiedlichen Phasen. Stammzellwanderungen sind dadurch auch zu beobachten.
Der medizinische Einsatz von Stammzellen hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht, doch wichtige Fragen sind noch unbeantwortet: Wo müssen Stammzellen implantiert werden, damit sie möglichst gut überleben? Welche Bedingungen brauchen sie, um sich zu Nervenzellen zu entwickeln und den Heilungsprozess optimal zu fördern? Bislang können Wissenschaftler das Überleben und die Entwicklung solcher Stammzellen nicht im lebenden Tier, sondern nur an Gewebeschnitten unter dem Mikroskop beurteilen. So waren nur einzelne Momentaufnahmen in der sich über Monate hinziehenden Umwandlung von einer Stamm- zur Nervenzelle möglich.
Mit dem neuen Verfahren lässt sich nun der gesamte Prozess im lebenden Gehirn beobachten. Die Wissenschaftler versprechen sich davon neue Erkenntnisse beispielsweise für die Entwicklung besserer Schlaganfalltherapien. Die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Mathias Hoehn am Kölner Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung hat menschliche Stammzellen so verändert, dass sie nur in bestimmten Phasen ihrer Entwicklung sichtbar werden. Dazu haben sie Gene für drei optische Marker in das Erbgut der Stammzellen eingefügt: das Protein Ferritin, das als Kontrastmittel für die Magnetresonanztomografie (MRT) dient; das Enzym Luciferase, das die Stammzellen im Gehirn zum Leuchten anregt, und das fluoreszierende Protein GFP. Luciferase erzeugt ein so starkes Leuchten im lebenden Hirn, das es mit empfindlichen Kameras selbst durch dickere Gewebeschichten aufgenommen werden kann. GFP wiederum macht die Zellen für nachträgliche Untersuchungen unter dem Mikroskop sichtbar. Aus Stammzellen werden Nervenzellen: Im Verlauf von drei Wochen wandeln sich immer mehr Stammzellen in noch unreife Nervenzellen um (grün). © Biomaterials, 2015
Verschiedene Genregulatoren stellen sicher, dass die Gene zu unterschiedlichen Phasen aktiv werden. Die Stammzellen zeigen also mit Licht ihren Entwicklungszustand an. Mit einer hochempfindlichen Kamera können die Forscher so die Entwicklung der Stammzellen bis hin zur ausgewachsenen Nervenzelle verfolgen. Gleichzeitig können sie die Zellen mit Hilfe des selbst produzierten Kontrastmittels Ferritin im Magnetresonanztomografen identifizieren und beispielsweise ihre Wanderung zum Ort eines Schlaganfalls beobachten. Die Wissenschaftler haben auf diese Weise herausgefunden, dass sich die Stammzellen schon vier Tage nach der Implantation ins Gehirn von Mäusen zu unreifen Nervenzellen entwickeln. „Vier Wochen lang wandeln sich immer mehr Stammzellen in solche Nervenzellen um. Nach drei Monaten bilden sich dann reife Nervenzellen im Gehirn“, sagt Dr. Annette Tennstädt vom Kölner Max-Planck-Institut. Die Zellen können schon elektrisch aktiv sein und sind damit funktionstüchtig, wie Forscher um Peter Kloppenburg von der Universität zu Köln nachgewiesen haben. Genregulatoren zeigen Entwicklungsstand der Zellen an: Der DCX-Promotor wird schon in unreifen Nervenzellen aktiv, SYN erst in reifen Neuronen, die Synapsen mit anderen Zellen bilden. © Biomaterials, 2015
Mit der Methode der Kölner Forscher können Wissenschaftler künftig das Schicksal von transplantierten Stammzellen noch genauer untersuchen. So lässt sich zum Beispiel im Mäusegehirn untersuchen, wie Stammzellen nach einem Schlaganfall von ihrem Entstehungsort zum geschädigten Gewebe wandern und dort abgestorbene Zellen ersetzen. Die neue Methode lässt sich auch auf Nervenzellen mit ganz speziellen Funktionen übertragen, wie zum Beispiel den Ersatz von dopaminergen Nervenzellen bei der Parkinson-Krankheit. Außerdem lässt sich damit die Anzahl der Versuchstiere deutlich reduzieren, denn dasselbe Tier kann immer wieder zu verschiedenen Zeitpunkten untersucht werden. Originalpublikation: Human neural stem cell intracerebral grafts show spontaneous early neuronal differentiation after several weeks Annette Tennstädt et al.; Biomaterials, doi: 10.1016/j.biomaterials.2014.12.038; 2015