Die akute Herzinsuffizienz kann für Patienten lebensbedrohlich werden, weil sie oft zu spät erkannt wird. Kardiologen stellen nun eine ungewöhnliche Diagnostik vor: die Veränderung der Sprache.
Die Herzinsuffizienz ist eine der häufigsten Erkrankungen in der Inneren Medizin und eine der führenden Todesursachen in Deutschland¹. In Europa sind geschätzt mehr als 10 Millionen Patienten davon betroffen. Die Herzinsuffizienz zählt in Deutschland zu den Hauptgründen für eine ambulante allgemeinmedizinische oder kardiologische Arztkonsultation². Kommt es zu einer kardialen Dekompensation, ist nicht selten eine stationäre Behandlung notwendig.
Wünschenswert wäre es, Handwerkzeuge zu haben, die eine beginnende Dekompensation frühzeitig erkennen und es dem Arzt ermöglichen, gegenzusteuern. Im klinischen Alltag wird den betroffenen Patienten aus diesem Grund unter anderem geraten, ein Gewichtstagebuch zu führen und ihre Trinkmenge zu kontrollieren. Abraham et al. stellten auf dem Heart Failure Kongress im Mai 2022 in Madrid einen interessanten neuen Ansatz vor³.
Sie postulieren, dass eine Veränderung der Sprache eine drohende kardiale Dekompensation vorhersagen könnte. Möglich machen könnte dies die Smartphone-App „Cordio HearO“. Diese App soll Sprachveränderungen als Frühzeichen einer Lungenstauung bei Herzinsuffizienz erkennen, bevor die Flüssigkeitsansammlung in der Lunge zu Symptomen wie Dyspnoe führt.
In die Studie wurden 180 Patientinnen (27 %) und Patienten (63 %) mit einer Herzinsuffizienz mit einer reduzierten oder erhaltenen Ejektionsfraktion und bestehender leitliniengerechter Herzinsuffizienzmedikation eingeschlossen. Das mittlere Alter lag bei 70 Jahren. Das NYHA-Stadium wurde mit II und III angegeben. Zu Studienbeginn nutzten alle Studienteilnehmer die heruntergeladene Smartphone-App dazu, im kardiopulmonal kompensierten Zustand fünf Sätze mit ihrem Smartphone aufzuzeichnen. Während des Studienverlaufs sollten dann täglich vor dem Frühstück dieselben fünf Sätze aufgezeichnet werden. Der App-Algorithmus verglich dann jede neue Sprachprobe mit der Basisversion.
Im Fall von detektierten Sprachveränderungen, die für eine beginnende Flüssigkeitsansammlung in der Lunge sprachen, wurde ein Alarm ausgelöst. Da es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, wurden die Alarme registriert aber darauf nicht reagiert. In der Auswertung der Daten setzten die Autoren den Zeitpunkt des Alarms dann in Beziehung zu möglichen nachfolgenden klinischen Verschlechterung mit einer Änderung der medikamentösen Therapie oder einem stationärem Aufenthalt im Krankenhaus.
Als korrekt wurde ein Alarm definiert, der innerhalb eines Zeitfensters von 31 Tagen vor einem Ereignis ausgelöst wurde. Von den Teilnehmern lagen zum Zeitpunkt der Analyse insgesamt 460.000 Sprachproben vor. Im Studienverlauf von zwei Jahren wurden bei 37 Patienten insgesamt 46 Ereignisse detektiert, die im Zusammenhang mit einer kardialen Dekompensation gewertet werden konnten.
In 82 % der Fälle hatte der Algorithmus der App zuvor korrekterweise einen Alarm bezüglich eines drohenden Ereignisses angezeigt. Im Median wurde der Alarm 21 Tage vor der klinischen Manifestation der Dekompensation registriert. In 18 % der Fälle gab es ein falsch-negatives Ergebnis. Eine falsch-positive Alarmmeldung hatten die Teilnehmer im Schnitt alle fünf Monate erhalten. Die Autoren begründeten dies damit, dass die App möglicherweise auch Lungenveränderungen messe, die unabhängig von einer kardialen Dekompensation seien.
Nach den vielversprechenden Daten der Beobachtungsstudie soll im nächsten Schritt eine Interventionsstudie folgen. Sie soll untersuchen, ob – als Reaktion auf einen Alarm – frühzeitige Änderungen der Therapie dazu beitragen können, kardiale Dekompensationen und damit verbundene stationäre Aufenthalte zu verhindern.
In der von Abraham et al. präsentierten Studie lassen sich mithilfe der App-basierten Analyse von Sprachaufzeichnungen der Patienten ein großer Teil der akuten Herzinsuffizienz-Verschlechterungen voraussagen. Welche Rolle die App im klinischen Alltag spielen wird, bleibt abzuwarten. Sie könnte allerdings, wenn sich die Daten in der geplanten Interventionsstudie bestätigen, eine gute Ergänzung zu den klassischen Methoden wie einem Gewichtstagebuch sein, um kardiale Dekompensationen bei einer bestehenden Herzinsuffizienz frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Bildquelle: Andrea Piacquadio, unsplash