Patienten mit schwerer Immunschwäche, die eine Knochenmarktransplantation erhalten haben, sind nicht so gut gegen Erreger gewappnet, wie gedacht. Das ergab eine Untersuchung der Immunabwehr im Nasen-Rachenraum von Patienten.
Bei Patienten mit schwerem kombiniertem Immundefekt (SCID) ist das Immunsystem dermaßen geschwächt, dass es dem Ansturm mikrobieller Angriffe aus der Umwelt häufig kaum mehr standzuhalten vermag. Alain Fischer, Gründungsmitglied des Imagine-Instituts am Krankenhaus Necker-Enfants Malades (AP-HP), beobachtet diese Patienten seit 30 Jahren und kennt sie gut:
„SCID-Patienten müssen mit einer allogenen Knochenmarktransplantation behandelt werden, manchmal in Kombination mit einer Chemotherapie vor der Transplantation, um eine Abstoßung des Transplantats zu verhindern“, erklärt der Arzt und Immunologe. „Dieses Verfahren heilt die Patienten und stellt ihr Immunsystem wieder her. Wir hatten aber bisher noch nie einen genauen Blick darauf geworfen, was in der Nasenschleimhaut passiert.“
Um zu klären, wie das angeborene Immunsystem reguliert wird, schlug James Di Santo, Leiter der Abteilung für angeborene Immunität (Institut Pasteur/Inserm), vor, das Immunsystem von Patienten mit geschwächtem Immunsystem nach einer Transplantation mit demjenigen gesunder Patienten zu vergleichen.
„Wir verfügten bereits über Nasopharyngealproben, die mit einem einfachen Nasenabstrich von etwa 1.000 Probanden entnommen wurden, und konnten die Immunantwort anhand dieser Proben untersuchen“, erklärt der Wissenschaftler. „Die Idee war, die gleiche Art von Proben von immungeschwächten Patienten zu nehmen, zusammen mit einem Bluttest, um die Unterschiede zu beobachten“.
Schon bald stellten die Wissenschaftler bei einigen Patienten deutliche Unterschiede fest. Während bei den gesunden Probanden und den meisten immungeschwächten Patienten das gesamte Nasopharyngealsystem im Allgemeinen darauf eingestellt war, auf Angriffe zu reagieren, indem es eine schützende Schleimschicht bildete, eine große Menge an Antikörpern (insbesondere IgA) und Immunzellen produzierte, war die Nasenschleimhaut bei einigen Transplantationspatienten gestört.
Bei Patienten, die teilweise immungeschwächt waren und vor der Transplantation nur eine begrenzte Chemotherapie erhalten hatten, wies die Nasen-Rachen-Region eine geringere Schleimmenge, weniger IgA-Antikörper und Zytokine sowie eine Prävalenz von pathogenen Bakterien auf. Mit anderen Worten: Das Immunsystem der Schleimhäute war bei diesen Personen weniger aktiv, um die täglichen Angriffe von Krankheitserregern zu bewältigen. Ihre Blutproben zeigten auch einen selektiven Mangel an einigen zirkulierenden Immunzellen.
Zum ersten Mal konnten die Wissenschaftler Mechanismen der angeborenen Immunität in der Nasenschleimhaut des Menschen in Aktion beobachten. Diese Entdeckung könnte auch Ärzte dazu veranlassen, ihr Transplantationsprotokoll anzupassen. „Patienten, die ihre Fähigkeit zur Bildung von IgA-Antikörpern nicht wiedererlangen, sind potenziell anfälliger für Infektionen der Atemwege“, erklärt Alain Fischer. „Wir können dies mit einer Antikörperersatztherapie ausgleichen, aber die Ergebnisse dieser neuen Studie legen auch nahe, dass vor der Transplantation systematischer eine Chemotherapie angeboten werden sollte, um sicherzustellen, dass ihr Immunsystem vollständig wiederhergestellt wird.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Institut Pasteur. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Markus Spiske, unsplash