Medizin-Studenten sexueller Minderheiten erkranken häufiger an Depression und haben ein höheres Risiko für Burnout. Das zeigen erste Studien.
Sexuelle Minderheiten leiden häufiger an Depressionen als Heterosexuelle – meist bedingt durch gesellschaftliches Stigma und Diskriminierung. Aber auch Mediziner haben ein hohes Risiko an Depressionen zu leiden. Doch wie sieht es bei Medizinern aus, die zu einer sexuellen Minderheit gehören? Sie sind häufig Misshandlungen und anderen einzigartigen Stressfaktoren ausgesetzt, doch wenig ist über ihre psychische Gesundheit bekannt. Das Journal of the American Medical Association veröffentlichte nun ein Research Letter, das sich mit der der Prävalenz und Entwicklung depressiver Symptome bei Ärzten aus sexuellen Minderheiten sowie heterosexuellen Medizinern im Laufe der Facharztausbildung befasst.
Dazu nahm eine Längsschnitt-Kohorte aus 7.013 Medizinstudenten zu Beginn und zu jedem Quartal ihres praktischen Jahrs an einer Befragung Teil. Darin wurden depressive Symptome mithilfe des Patient Health Questionnaire-9 (PHQ-9) und ihre sexuelle Orientierung abgefragt. Eine schwule, lesbische, bisexuelle oder andere Orientierung als eine heterosexuelle wurden als sexuelle Minderheit zusammengefasst, aufgrund der sonst zu kleinen Stichprobengröße.
496 Probanden (7,1 %) gehörten zu einer sexuellen Minderheit. Diese Gruppe wies bereits bei Befragungsbeginn höhere PHQ-9-Scores als ihre heterosexuellen Kollegen auf, mit einem Mittelwert von 3,3 vs. 2,6 zu Studienbeginn und 7,1 vs. 5,7 zum 4. Quartal. Auch zu jedem anderen Abfragungszeitraum waren die Scores in dieser Gruppe höher. Dabei nahmen die depressiven Symptome bei Ärzten sexueller Minderheiten über das gesamte praktische Jahr stärker zu als bei den heterosexuellen Teilnehmern – insbesondere in der zweiten Hälfte der Ausbildung.
Laut Autoren legen die Ergebnisse nahe, dass Mediziner sexueller Minderheiten stärkere depressive Symptome erleben, als ihre heterosexuellen Kollegen – wobei sich die Kluft während der Ausbildung vergrößert. „In dieser Studie erreichten die depressiven Symptome ihren Höhepunkt nach 6 Monaten und gingen dann bei heterosexuellen Probanden stetig zurück, während depressive Symptome bei sexuellen Minderheiten über das ganze Jahr weiter zunahmen“, schreiben die Autoren.
Eine weitere Studie untersuchte die generelle Wahrnehmung des Studiums und Prävalenz zum Burnout in dieser speziellen Gruppe. Dazu verwendeten die Forscher in ihrer Querschnittsuntersuchung den Oldenburg Burnout Inventory for Medical Students – einer Methode, um Burnout bei bestimmten akademischen Gruppen zu erfassen. Von den 25.757 Probanden identifizierten sich 5,5 % als sexuelle Minderheit und 94,5 % als heterosexuell. Sowohl bisexuelle Studenten als auch schwule oder lesbische Studenten gaben eine weniger positive Wahrnehmung an, als ihre heterosexuellen Kommilitonen. Studenten sexueller Minderheiten wiesen vermehrt höhere Burnout-Scores auf (bisexuell: [OR] 1,71; 95 % KI: 1,42-2,07; schwul oder lesbisch: [OR] 1,53; 95 % KI: 1,31–1,79).
„In dieser Studie hatten Studenten sexueller Minderheiten eine weniger günstige Wahrnehmung der Lernumgebung der medizinischen Fakultät und waren eher von Burn-out betroffen als ihre heterosexuellen Fachkollegen“, schreiben die Autoren. Zukünftige Forschung müsse sich demnach daran richten, spezifische Elemente der Lernumgebung zu identifizieren, die in dieser Gruppe mit Burnout in Verbindung gebracht werden, erklären die Autoren.
So wie jede Studie haben auch diese ihre Limitierungen: Zumal ist die Stichprobengröße der sexuellen Minderheiten sehr klein und die Gender Identität wurde ebenfalls in keiner der Studien erfasst. Außerdem handelt es sich um eine Studienkohorte, die mithilfe von Befragungen untersucht wurden – daraus lassen sich schwieriger kausale Zusammenhänge herleiten. Die Autoren vermuten auch, dass die Gruppe an sexuellen Minderheiten möglicherweise aus Angst vor Diskriminierung untererfasst wurde. Dennoch weisen die Studien auf ein ernstzunehmendes Problem bzw. ein erhöhtes Risiko für die mentale Gesundheit in dieser Gruppe im medizinischen Umfeld hin.
Bildquelle: Jasmin Sessler, unsplash