Wissenschaftler haben die Hirnalterung bei Gesunden und bei Diabetes-Patienten untersucht. Grunsätzlich verläuft die Degeneration ähnlich – doch es gibt auch große Unterschiede.
Die Stoffwechselkrankheit Typ-2-Diabetes steht schon lange im Verdacht, die Degeneration des Gehirns zu beeinflussen. Studien, die den Zusammenhang zwischen der Erkrankung und den Alterungsprozessen im Hirn untersuchen, sind jedoch rar. Bislang gibt es keine Arbeiten, in denen neurologische Veränderungen gesunder Menschen mit Veränderungen bei Diabetespatienten verglichen wurden. Dies liegt vor allem daran, dass es schwierig ist, zwischen einem reguläre Alterungsprozess und einer beschleunigten Hirnalterung zu unterscheiden.
In einer aktuellen Studie haben Forscher der Stony Brook University nun den Zusammenhang zwischen der regulären Hirnalterung und der neurologischen Alterung von Patienten mit Typ-2-Diabetes untersucht. Um die Auswirkungen von Diabetes auf das Gehirn über den normalen Alterungsprozess hinaus zu bestimmen, nutzte das Team die Daten der UK Biobank. Dieser Datensatz umfasst Gehirnscans und Hirnfunktionsmessunge von über 20.000 Menschen im Alter von 50 bis 80 Jahren – sowohl von gesunden Personen als auch von Typ-2-Diabetikern.
Die Forscher versuchten, anhand der Daten zu rekonstruieren, welche Veränderungen des Gehirns und der kognitiven Fähigkeiten spezifisch für Diabetes und nicht nur für das Altern sind. Anschließend verglichen sie ihre Ergebnisse durch eine Meta-Analyse mit fast 100 anderen Studien.
Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass Typ-2-Diabetes einem ähnlichen Muster der Neurodegeneration folgt wie das reguläre Altern. Die Forscher stellen fest, dass sowohl ein normaler Alterungsprozess als auch das Voranschreiten eines Typ-2-Diabetes die exekutiven Funktionen im Hirn – also im Arbeitsgedächtnis, beim Lernen und flexiblen Denken – sowie die Verarbeitungsgeschwindigkeit verändern.
Es gab aber einen Unterschied zwischen gesunden und kranken Probanden: Bei Menschen mit Diabetes nahm die Exekutivfunktion über die altersbedingten Effekte hinaus um weitere 13 % ab. Auch die Verarbeitungsgeschwindigkeit verringerte sich im Vergleich zu gleichaltrigen Menschen ohne Diabetes um knapp 7 %. Die Meta-Analyse anderer Studien bestätigte dieses Ergebnis: Menschen mit Typ-2-Diabetes zeigten deutlich geringere kognitive Leistungen als gesunde Personen gleichen Alters und mit ähnlichem Bildungsstand.
Weiterhin verglich das Team die Gehirnstruktur von Menschen mit und ohne Diabetes mithilfe von MRT-Scans. Dabei stellten sie bei fortschreitendem Alter eine Abnahme der grauen Hirnsubstanz fest. Bei Menschen mit Diabetes war die Abnahme der grauen Substanz über die typischen altersbedingten Auswirkungen hinaus aber ausgeprägter: Die Forscher entdeckten, dass die Abnahme der Hirnsubstanz nicht nur im ventralen Striatum, sondern auch in anderen Regionen drastischer als bei gesunden Probanden war. Dies führte das Team auf eine eingeschränkte Energieverfügbarkeit durch Diabetes zurück.
Diese Auswirkungen schienen umso gravierender, je länger der Diabetes bestand. Daraus schlussfolgerten die Forscher, dass sich auch die typische Hirnalterung in Veränderungen der Glukoseregulierung im Hirn widerspiegelt.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass zu dem Zeitpunkt, an dem ein Typ-2-Diabetes offiziell diagnostiziert wird, bereits erhebliche strukturelle Schäden im Gehirn vorliegen können. Die bildgebende Untersuchung des Gehirns könnte jedoch zur Erkennung von Diabetes beitragen: „Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit der Erforschung von hirnbasierten Biomarkern für Typ-2-Diabetes und von Behandlungsstrategien, die speziell auf die neurokognitiven Auswirkungen abzielen", sagt Erstautorin Lilianne Mujica-Parodi.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des eLife Journals. Hier findet ihr die Originalpublikation.
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