Zellkerne müssen bei der Zellteilung oben liegen, damit die entstehenden Tochterzellen ins Netzhautgewebe eingebaut werden können. Landen die Zellen zur falschen Zeit am falschen Ort, können sich Zellklumpen bilden und die Netzhautentwicklung läuft fehl.
Wir nehmen unsere Umwelt zum größten Teil mit unseren Augen wahr: Rund 80 Prozent der Informationen liefert der Sehsinn. Ein wichtiger Teil des Sehsystems ist die Netzhaut mit den lichtempfindlichen Sehzellen. Forschern vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden zufolge ist die Lage des Zellkerns entscheidend für die korrekte Ausbildung der Retina. Caren Norden und ihre Kollegen schauten sich in diesem Zusammenhang an, warum der Zellkern in Netzhaut-Vorläuferzellen zur Zellteilung verlässlich zur oberen Seite der Zelle wandert. Sie haben an Zebrafischen herausgefunden, dass diese Positionierung notwendig ist, damit sich die zwei entstehenden Tochterzellen nach der Teilung ohne Probleme in das Gewebe integrieren. Teilt sich die Zelle, wenn der Zellkern in der Mitte oder im unteren Teil der Zelle positioniert ist, bilden sich Zellklumpen und die Entwicklung der Netzhaut kommt aus dem Tritt.
Für den Zellkern ist die Wanderung in den oberen Teil der Zelle kein Spaziergang. Aber warum tut er sich das dann an? Seit 1935 ist bekannt, dass sich der Zellkern nach oben bewegt, wenn eine Zellteilung ansteht. Caren Nordens Labor und andere Gruppen haben auch bereits erforscht, wie das mechanisch funktioniert. Eine Erklärung, warum das so ist und wie dieser Prozess ausgelöst wird, gab es allerdings noch nicht. Mit ihrer Forschungsgruppe hat Norden sich nun angesehen, wie sich die länglichen Netzhaut-Vorläuferzellen in Zebrafisch-Embryonen entwickeln. Die Zellen teilen sich immer wieder in zwei weitere Vorläuferzellen, bis sich ein genügender Vorrat angesammelt hat. Dann erst entwickeln sich diese Netzhaut-Vorläuferzellen in verschiedene spezialisierte Neuronen der Netzhaut. Sicht von oben auf die Nervenzellen (rot, grün) und den Sehnerv eines Zebrafischauges. © MPI für molekulare Zellbiologie und Genetik
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Zelle wirklich alles dafür tut, damit sich der Zellkern bei der Zellteilung im oberen Bereich befindet. Selbst wenn der Zellkern schon anfängt sich zu teilen, eilt er während seiner eigenen Teilung schnell noch nach oben, um zur Teilung der gesamten Zelle an der richtigen Stelle zu sein. Wenn sich der Zellkern während der Teilung nicht oben befindet, können die Tochterzellen, die nach einer Teilung entstehen, sich nicht wieder richtig in das Gewebe einfügen. „Die falschen Zellen landen zur falschen Zeit am falschen Ort. Sie sind verloren in Raum und Zeit“, erklärt Caren Norden die Folgen. Es können sich Zellklumpen bilden und die weitere Entwicklung der noch so jungen Netzhaut läuft fehl.
Zudem fanden die Forscher heraus, dass die Wanderung des Zellkerns nach oben durch das Enzym CDK1 (Zellzyklus-abhängige Kinase 1) ausgelöst wird. CDK1 löst die ersten Schritte aus, die dem Zellkern sagen, dass er nach oben gehen soll. „Damit haben wir einen weiteren zellbiologischen Baustein gefunden, der zu einer gesunden Netzhautentwicklung beiträgt“, fasst Norden zusammen. Originalpublikation: Interkinetic Nuclear Migration Is Centrosome Independent and Ensures Apical Cell Division to Maintain Tissue Integrity Paulina J. Strzyz et al.; Developmental Cell, doi: 10.1016/j.devcel.2014.12.001; 2015