Wer die Expertise von Kollegen anerkennt, zeigt Souveränität – nicht Schwäche. Ich habe das Gefühl, dass gerade wir Ärzte da noch einiges an Nachhilfe brauchen.
Ich habe als Ärztin ja nicht nur viel mit ärztlichen Kollegen zu tun, sondern auch viel mit medizinischen, aber nicht ärztlichen Berufen (medizinische Fachangestellte, Physiotherapeuten, Pflegepersonal, Logopäden, Ergotherapeuten, usw. – man möge mir bitte verzeihen, wenn ich eine Gruppe vergessen habe).
Für mich ist der Austausch mit diesen Gruppen aus diesen drei Gründen extrem wichtig:
Ein praktisches Beispiel zum letzten Punkt: Manchmal sagen Patienten, dass der Physiotherapeut bei dem wöchentlichen Termin immer wieder „von vorne anfängt“, weil alles sich wieder total verhärtet und verkürzt hat. Ich habe dann bei einigen dieser Patienten mal nach Rücksprache mit dem Physiotherapeuten vor oder nach der Physiotherapie mit Lokalanästhetika gequaddelt, um quasi eine verlängerte Wirkung zu erzielen. Bislang immer mit Erfolg – insgesamt kam man damit schneller (und somit mit einer insgesamt kürzeren Physiotherapie) voran.
Leider wird allein durch die fiskalischen Vorgaben der Krankenkassen viel Zwietracht gesät: Unser Budget ist begrenzt und natürlich kommt es da zu Spannungen, wenn wir zwar sehen, dass z. B. die Physiotherapie oder Ergotherapie Erfolg bringt, aber gleichzeitig wissen, dass wir – im wörtlichen Sinne – die Rechnung dafür bekommen. Aber im Sinne des Patienten sollten wir uns da nicht trennen lassen. Denn wie am Beispiel mit dem Quaddeln zu sehen ist, kann man oft mit einer wirklichen Zusammenarbeit schneller mehr erreichen. Auch nicht zu unterschätzen ist die (einfache, aber oft vergessene) verbale Wertschätzung: Wenn ich meinen Patienten klar mache, dass es nicht „nur Physio“ ist, sondern dass das ein wichtiger Bestandteil der Rückenschmerz-Therapie ist, kommt das ganz anders rüber. Und sorgt meiner Erfahrung nach für eine bessere Mitarbeit und damit ein besseres Ergebnis.
Wenn ich mich mit Kollegen über dieses Thema unterhalte, kommt manchmal die Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass eine solche Wertschätzung meine eigene Position gegenüber dem Patienten oder dem nicht ärztlichen Therapeuten untergraben könnte. Diese Erfahrung habe ich überhaupt nicht gemacht. Die Expertise anderer anerkennen können, ist kein Zeichen von Schwäche – eher von Souveränität. Ich weiß, was ich weiß und wo meine Grenzen sind. Und für diese Grenzen suche ich mir gute Leute, die meine eigene Expertise ergänzen. Ob das jetzt Ärzte sind oder nicht, sollte eigentlich egal sein. Hauptsache, sie verstehen ihr Fach. Und nein, das heißt nicht, dass man sich immer einig ist, aber trotzdem den anderen zu schätzen weiß – so wie das zwischen Ärzten auch manchmal der Fall ist.
Deswegen ist mein Fazit: Wir sind alle Profis – auf unseren jeweiligen Gebieten. Und so sollten wir auch zusammenarbeiten: Als Profis, die die Kompetenz der anderen anerkennen können. Für unsere Patienten.
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